Lehrer und Kinder

Die Wolhynier Lehrer waren meist nicht an der Hochschule ausgebildet. In den meisten Fällen waren es strebsame Leute, die sich durch großen Fleiß die nötigen Kenntnisse angeeignet und die dann aus Liebe zur Sache ihren Beruf ausübten. Die meisten deutschen Lehrer fühlten sich auch zu seelsorgerischen Aufgaben verpflichtet. Weil früher die Gottesdienste und Schulen eng verbunden waren, sorgten die Eltern und Vorsteher für unbescholtene Lehrer. Dadurch wurden die Kinder auch im Glauben an Gott erzogen.

Durch den Kommunismus wurde aber alles geändert. Die Lehrer mussten öffentlich dem Glauben absagen, wenn sie im Dienst bleiben wollten. Sie wurden gezwungen, und es wurde ihnen zur Aufgabe gemacht, die Kinder in der antireligiösen Lehre zu unterrichten.

Unsere Tochter kam eines Tages aus der Schule und erzählte, dass sie wieder „Werbetag“ gehabt hätten. Es kamen dann mehrere halbwüchsige Burschen, meist waren es Schüler aus dem Gymnasium in Nowograd-Wolhynsk, 5 Werst von uns entfernt. Die Lehrer mussten dann die Schule verlassen, und die Kinder wurden dann stundenlang von diesen Komsomolzen gequält. Die Kinder bis 8 Jahren zählten zu den „Oktoberkindern“, die bis zu 16 Jahren zu den „Pionieren“ und die älteren zu den Komsomolzen. Alle diese, die den kommunistischen Organisationen beitraten, durften auch den Gottesdienst nicht mehr besuchen.

Die Kinder wurden nun mit List, Tücke und Drohungen bearbeitet, den betreffenden Organisationen beizutreten. Bei solchen Gelegenheiten wurden die Kinder auch gegen die Eltern aufgehetzt. Ihnen wurde beigebracht, worin sie ihren Eltern nicht zu gehorchen brauchten. Sie können und müssen sogar auch ihre Eltern anzeigen, wenn diese etwas gegen den Kommunismus verlauten lassen. Dieses bewirkte in den Familien oft Uneinigkeit und Verdruss. Diese „Besuche“ und Quälereien der Komsomolzen wiederholten sich oft. Die Kinder wussten schon, was geschlagen hatte, wenn der Lehrer in der Mittagspause die Schule verließ.

Nachdem unsere Söhne Ruben und Otto die Schule in unserer Kolonie beendet hatten, besuchten sie dann in Nowograd-Wolhynsk die weiterführende höhere Schule. Damals war in dieser erwähnten Schule nur ein Parteimitglied namens Nickel. Er war besonders beauftragt, den Kindern die Gesellschaftskunde, Menschenkunde und andere kommunistische Idole einzuschärfen. Dass der Mensch vom Affen abstamme, wollte unser ältester Sohn auf keinen Fall nachsprechen. Er befürchtete, dass er es dann auch langsam glauben würde. Dieses sagte und klagte er uns mehrere Male. Wir aber überließen es ihm und seinem Gewissen. Wir durften ja ohnehin dagegen nichts sagen. Unsere Kinder kannten ja unsere Einstellung und wussten auch, dass nach außen hin sie sich entscheiden mussten. Wäre ihm nicht sein Klassenlehrer, ebenso die anderen Lehrer, wohlgesinnt gewesen, er hätte unmöglich die Prüfung bestehen können. Nun wurde er in die 6. Klasse versetzt, in der gerade Nickel Klassenlehrer war. Der Schulleiter wollte ihm helfen. Er sagte ihm, dass er im nächsten Jahr doch die neue Lehre werde annehmen müssen.

Sehr schnell kam es dann, dass nur „Pioniere“ diese siebenjährige Schule (Gymnasium) besuchen durften. Unsere Söhne durften beide die Schule nicht weiter besuchen. Und als unsere Tochter mit 11 Jahren die Schule in der Kolonie beendet hatte, durfte sie als „Nichtpionier“ gar nicht in die Schule in Nowograd-Wolhynsk aufgenommen werden. Man versuchte alles, sie für die „Pioniere“ zu gewinnen. Als alles nichts half, ließ man verlauten, dass sie in eine Erziehungsanstalt käme und dann doch der kommunistischen Organisation beitreten würde und müsste. Unsere Kinder ließen sich deswegen im Dorf fast nicht sehen, damit man von ihnen möglichst vergaß.