Abwechslungsreiche Ereignisse

Dem Eigentümer des Landes, auf dem wir das Rasenhaus gebaut hatten, gefiel das Gebäude sehr. Er fragte uns eines Tages, ob wir ihm das Gebäude nicht überlassen könnten. Geld zum Bezahlen habe er zwar nicht. Aber er glaube, dass der liebe Gott, der uns bis dahin immer versorgt hat, es uns auch wieder vergelten würde, wenn wir an ihm etwas Gutes tun. Sein Sohn, dem dieses Land eigentlich gehört, hat kein Haus, auch kein Geld zum Bau eines Hauses.

Wie wir es praktizierten, legten wir auch dieses in Gottes Hände. In diesen Tagen fuhr ich zu meiner Schwester in die Nähe von Omsk. Sie hatte ja dort einen Einkehrhof übernommen. Meine Schwester erzählte mir, dass ihr Nachbar, ein Mennonit, sein Haus verkaufen wolle. Noch an demselben Tag besichtigte und kaufte ich das Haus mit Garten und allem, was darauf gebaut war. Mich irritierte es etwas, dass der Mann es mit dem Verkauf so eilig hatte. Vermutlich ahnte er im Voraus, was noch kommen könnte. Nun konnten wir dem Landverpächter seinen Wunsch erfüllen. Wir zogen im März 1919 in das neugekaufte Haus nach Karbusch bei Omsk. Das war etwa 50 km nördlicher, aber schon etwas näher nach Hause und zum Bahnhof Omsk. Wir nahmen dies mit Freuden wahr, denn das Sehnen nach unserer Heimat machte sich gleich nach unserer Ankunft in Sibirien bemerkbar. Es ließ sich auch die ganze Zeit hindurch nicht beschwichtigen.

Im Jahre 1918, als wir wieder beinahe alles verkauft hatten und anfingen, die dringend benötigten Sachen einzupacken, schrieb mir mein Bruder Adolf aus Charkow. Er forderte uns auf, noch dort zu bleiben. Ich sollte sorgen, dass all die anderen zuerst aus Sibirien herauskämen. Er hatte bei der Kiewer, Moskauer und Leningrader Behörde das Rückwandererrecht für die vertriebenen Deutschen ausgewirkt. Er brauchte jemanden Zuverlässigen, der die Deutschen in Sibirien beriet und ihnen bei dem Erwirken der Rückreisepapiere half. Ich bekam von ihm die für Sibirien vorgefertigten Rückreisepapiere. Wer solch ein Schriftstück vorzeigen konnte, bekam nicht nur freie Fahrt zurück nach Wolhynien, sondern ihm wurden in Wolhynien auch wieder alle Rechte eingeräumt. Er konnte auch in der Heimat sein Land und Häuser wieder in Besitz nehmen. Mit diesen Papieren begaben sich dann auch hunderte Familien auf die Rückreise in ihre Heimat.

Aber sehr bald sperrte die Regierung diese Rückwanderung in die Heimat. Es war gerade zu der Zeit, als das deutsche Militär die Ukraine besetzt hatte. Vielleicht befürchtete die Regierung auch, dass diese „Rückwanderlust“ zu weit greifen könnte und zu viele Leute Sibirien verlassen könnten. Es ist Tatsache, dass aus diesem einsamen Land die Europäer nur zu gern entfliehen. Am Ende desselben Jahres wurde die Ausreise dann wieder bewilligt, aber nur für eine ganz kurze Zeit. Wegen des Krieges zwischen den Polen und den Roten wurde die Rückreise dann wieder verboten.

 

Bei unserer Verschickung aus Wolhynien hatten wir auch eine kleine Knopfmaschine mitgenommen. In Sibirien war es sogar schwer, Knöpfe zu bekommen. Deshalb fanden wir für die selbst hergestellten Metallknöpfe guten Absatz. Zeitweise konnten wir dabei vier bis fünf Personen beschäftigen. Die meisten Knöpfe wurden von den Mennoniten und anderen Deutschen und den Bauern gekauft. Trotzdem die Mitarbeiter gut bezahlt wurden, hatten wir dadurch so viel verdient, dass wir, als wir unser kleines Pferdchen für 700 Rubel verkauften, uns einen guten Apfelschimmel für 4000 Rubel kaufen konnten. Auch den „Chomut“ (Halsjoch) verkauften wir für 30 Rubel und kauften uns einen für 300 Rubel.

An Gästen fehlte es uns auch hier nicht. Gäste wurden uns auch nie zur Last. Meine Frau richtete es schon immer so ein, dass noch 2 bis 3 weitere Personen bei uns essen konnten. Meist fanden sich auch welche ein. Wir wohnten nämlich an einem Ort, wo drei große Verkehrsstraßen (Trakten) zusammenkamen. Und Tag und Nacht waren vor unserer Tür Fuhren und Leute. Auch viele Kriegsgefangene kehrten bei uns ein. Ich sorgte auch dafür, dass ankommende Arbeitslose eine Betätigung bekamen. Wir hatten von den Leuten, die wegzogen, Schuhmacherwerkzeug, Handwerksachen für Klempner und anderes Werkzeug gekauft. Wir bauten auch aus Rasen eine Werkstätte, in der mehrere beschäftigt werden konnten. Es war dies die Zeit, da man für Geld fast nichts mehr bekam. Manche Bauern, die schon tagelange Reisen mit ihren Fuhrwerken gemacht hatten, waren froh, wenn sie Kleidungstücke oder sonst etwas für ihr Getreide eingetauscht bekamen. Die Not wurde zusehends immer größer. Aus dem sibirischen und sogar aus dem europäischen Land kamen Leute zu uns, die gegen Kleider und anderen Gegenstände Brot und Fleisch eintauschten. Und ohne, dass wir es einzurichten vorhatten, hatte sich bei uns eine Tauschstelle gebildet.