Baku

Baku, die bedeutende Stadt an der Küste des Kaspischen Meeres, bot Gelegenheit an zwei Plätzen, in der Weißstadt sowie im Industrieviertel, Versammlungen zu halten.

Die geistliche Arbeit dort ist insbesondere auf Bruder Beret und Schwester Storck zurückzuführen. Schwester Storck war ein echtes Licht am ihrem Platz. Vor Jahren, noch ehe sie die Erfahrung der Wiedergeburt erlangt hatte, beseelte sie ein großes Verlangen, eine Versammlung zu besuchen, die damals hin und wieder von durchreisenden Brüdern einer Gemeinschaft gehalten wurden. Dieses erbitterte ihren Mann derart, dass er schwor, sie zu töten, wenn sie wieder zur Versammlung ginge. Was sollte sie tun? Ihrem Mann folgen, und ihre nach dem Wort des Lebens schmachtende Seele vergewaltigen, oder aber die Versammlung besuchen und sterben? In ihrem Innern entfesselte sich deswegen ein mächtiger Kampf. Sie kannte ihren Mann. Sie hatte schon manche Beweise seines Jähzorns erlebt. Und ein Wort, ja einen Schwur von ihm, nahm er nicht so leicht zurück. Nach ernstem Gebet entschloss sie sich, doch die Versammlung zu besuchen – und zu sterben, wenn es sein sollte.

Während ihrer Abwesenheit war ihr Mann von der Arbeit nach Hause gekommen und fragte die Kinder, wo die Mutter sei. „Sie ist zur Versammlung gegangen,“ gaben sie zur Antwort. Die Mutter hatte den Kindern angesagt, dem Vater nur die Wahrheit zu sagen, wenn er nach Hause käme. Außer sich vor Zorn lief er im Zimmer auf und ab. Er dachte an seinen Schwur, und die Tat mochte bei ihm feststehen. Als die Frau dann heimkam, fuhr er sie an:

– Wo bist du gewesen?

– In der Versammlung, – sagte sie ruhig.

– Hast du vergessen, was ich gesagt habe? Ich muss dich töten, ich habe es geschworen! – brüllte er weiter.

– Nein, ich habe es nicht vergessen. Ich habe mich dazu bereit gemacht, – antwortete sie. – Und ich bin froh, dass du nur diesen Leib töten kannst, der doch einmal sterben muss.

Über solche Ruhe und Offenheit von seiner Frau war er zutiefst erstaunt. Er wusste nun nicht, wie er es jetzt anfangen sollte. Seiner Veranlagung nach wäre er imstande gewesen, sogleich im Zorn über sie herzufallen, wenn sie es zu verschweigen versucht hätte.

– Ich muss dich töten! – schrie er wieder. – Ich kann nicht mehr mit dir leben!

– O, muss? Das ist es nicht gerade. Wenn du nicht mehr mit mir leben kannst, gibt es auch eine andere Möglichkeit, ohne dass du dein Gewissen so belastest, – erwiderte die Schwester.

Aufs Höchste aufgeregt, lief er im Zimmer hin und her. Und nach einer Weile sagte er: – Gut, ich werde dich nicht töten, aber ich werde weggehen! – und lief hinaus.

In seiner furchtbaren Verbitterung brachte es der Teufel tatsächlich fertig, dass er nie mehr nach Hause kam. Verwildert und verkommen, mit Ungeziefer befallen, irrte er umher. Oft, wenn seine Frau nur irgend erfahren konnte, wo er sich aufhielt, ging sie ihm nach und bat ihn, doch zurück zu kommen. Sie wollte alles für ihn tun, was sie könne. Sie nannten ein schönes Heim ihr eigen, aber der Mann setzte es durch und kam nicht wieder. Stricke der Verbitterung hatten ihn umgarnt. Etwa 14 Jahre danach erfuhr seine Frau eines Tages, dass er irgendwo zu Tode gekommen sei.

 

Baku liegt am Südostende des Kaukasus. Die Stadt wird von einer alten Tatarenfestung überragt. Sie bietet in ihrer echt morgenländischen Form einen schönen Anblick. Allenthalben ist sie durch ihre Petroleumfelder bekannt geworden. Von Baku führt eine Bahn über Tiflis nach Batumi am Schwarzen Meer. Von dort aus wurde das Petroleum auf Schiffen nach Europa gebracht. Dann ist noch an dieser langen Strecke, die der Zug in etwa 30 Stunden durchfährt, eine Rohrleitung angebracht, in welcher das Petroleum bis zum Versandplatz gepumpt wurde.