Erkrankung an Flecktyphus

Wir mussten ja von Ackerbau und Viehzucht leben. Und so fingen wir wieder mit unserer „Land- und Viehwirtschaft“ an. Wir holten das Zerstreute zusammen und brachten die Gebäude wieder in Ordnung. So wurde die Lebensmöglichkeit bald wieder etwas geregelter.

Da brach in unserem Ort und der Umgebung der Flecktyphus aus. Noch ehe wir die Krankheit richtig erkannten, lag meine Frau mit Rückfall des Typhuses. Es waren in den Tagen schon mehrere Leute, die Rückfall bekamen, gestorben. Und so sprach man auch meiner Frau das Leben ab. Aber wir vertrauten dem, der auch in der größten Not ein Helfer ist! Als es mit der Krankheit immer ernster wurde, dazu auch noch die große Hitze einsetzte, war für uns die Not fast zu groß. Meine Frau hatte hohes Fieber, aber eines Tages wurde ich durch ihr Gebet sehr ermutigt. Sie sagte: „Lieber Heiland, mache mich doch bitte auch dieses Mal wieder gesund! Ich möchte mich noch einmal mit meinen lieben, innig verbundenen Geschwistern in Europa gemeinschaftlich erfreuen. Herr, ich bitte Dich, erhöre mein Gebet!“ Von Stund an konnte ich fest glauben, dass Gott dieses selbstlose Gebet in der sehr schweren Krankheitsnot erhörte. Es war nichts Eigennütziges dabei, es ging um des Herrn Sache. Ich fügte dem Gebet noch hinzu: „Ja, Herr, ich glaube fest, dass du es erhörst“.

Wir gingen in dieser Krankheitszeit noch durch so manche Prüfungen, aber mein Glaube blieb fest. Für den Fremdenverkehr hatten wir unser Haus geschlossen. Kam aber von den Bekannten jemand, sagten alle mir immer wieder, dass ich mich auf das Schlimmste gefasst machen müsse. Denn bei allen, bei denen durch Rückfall die roten Flecke dunkel wurden, war keine Hoffnung mehr auf Genesung. Auch Kranke, die in ärztlicher Behandlung sein konnten, mussten sterben. Ich gab all den Entmutigern zur Antwort: „Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei dem großen Arzt möglich!“

Obwohl die Krankheit sich immer noch mehr verschlimmerte, war nichts imstande, mir den Glauben an die Genesung meiner Frau zu rauben. Die Einsamkeit Tag und Nacht, die Versorgung der Kranken und der Kinder, dazu noch die viele Arbeit im Haushalt und mit dem Vieh brachten mich mehr ins Gebet. Das Gebet war meine einzige Hilfe und Halt. Schon vor der Erkrankung meiner Frau war unsere Haushalthilfe auch erkrankt und nach Hause gegangen. Glücklicherweise konnte ich dann die Kinder (Agnes, die Jüngste, war 9 Monate alt) bei meiner Schwester unterbringen. Für keinen Preis bekam ich eine Hilfe ins Haus, denn alle fürchteten die ansteckende Krankheit. Als sich wieder einmal alle Hoffnung auf menschliche Hilfe zerschlug, wandte ich mich in meiner Not noch ernster und intensiver zum Herrn. Ich wusste ja und hatte es schon so oft erfahren, dass Gott Wunder wirken und in aller Not helfen kann.

Gerade in jenen Tagen war der Frost sehr gestiegen. Die Fenster waren dick mit Eis überzogen, und im Giebel heulte der Wind. Und gerade während meiner größten Not, trotz Schneestürmen und großer Kälte, kehrte ein Bekannter namens Dürr auf der Durchreise nach Omsk bei uns ein. Freudig sagte er mir, als ich ihn auf die Gefahren der Krankheit in unserem Haus aufmerksam machte, dass er den Typhus nicht fürchte. Wir brachten sein Pferd in den Stall, und er blieb einige Tage bei uns. Alle drei Stunden wechselten wir uns ab. Tag und Nacht war einer von uns beiden bei der Kranken. Inzwischen schlief der andere oder besorgte die anfallenden Arbeiten. Als unser Freund Dürr uns verließ, konnte meine Frau bald wieder aufstehen. Sie war aber noch sehr, sehr schwach. Wir konnten nicht anders, als immer wieder ausrufen: „Gelobt sei Gott!“ Auch unsere Nachbarn bezeichneten die Hilfe in Not und die Genesung meiner Frau als Wunder des Allmächtigen.

Kurz nachdem meine Frau aufstehen konnte, legte ich mich mit derselben Krankheit. Wir hatten aber jetzt Erfahrung darin, und durch die gute Pflege von meiner Frau wurde ich vor einem Rückfall bewahrt.

Da meine Frau durch ihre schweren Krankheiten sehr schwach und elend geworden war, ging es sehr schlecht ohne Hilfe. Vor allem konnte und durfte sie die Außenarbeit und die Versorgung des Viehs noch nicht ausführen. Auch dieses stellten wir unserem „Helfer in jeder Not“ anheim. Und siehe da: An demselben Tag, als ich mich mit Fieber legen musste, kam ein Hamburger, ein Kriegsgefangener, namens Fritz. Er suchte eine Arbeitsstelle. Er hatte an dem Tag seinen Arbeitgeber, bei dem er längere Zeit war, verlassen. Dieser Mann blieb gern und der Krankheit wegen unerschrocken bei uns. Das war „Maßarbeit“ vom Herrn! Fritz verstand es auch gut, mit dem Pferd und dem anderen Vieh umzugehen. Er besorgte die Außenwege, hielt Ordnung auf dem Hof und im Stall. Er half auch meiner Frau im Haus und bei meiner Pflege. Dieser Mann war uns sichtbar von Gott gesandt. Er war lange und gern bei uns.