In der GPU

Unvergesslich ist mir geblieben, wie ich fühlte, als ich im Frühjahr 1928 an einem Sonnabend Mittag den Befehl bekam, dass ich zur GPU kommen solle. Wie tausende andere Männer und Väter dachte ich: „Wie wird es doch meiner Familie ergehen?“ Meinen Empfindungen nach wäre ich sofort losgegangen, wenn es nicht schon zu spät und der nächste Tag ein Sonntag gewesen wäre, an dem wir zweimal gut besuchte und immer reich gesegnete Gottesdienste hatten. Ich hatte schon öfter das Empfinden gehabt, als hielte ich meine Abschiedsrede. Aber ich ließ niemanden etwas von meinen Gefühlen merken.

Erst am Montag, früh morgens, offenbarte ich es meiner lieben Frau, dass ich zur GPU muss. Sie ließ sich nicht zurückhalten und kam mit mir. Dort angelangt, mussten wir durch einen Hinterhof gehen, dann durch einen dunklen Eingang und ein paar Stufen auf eine alte, schmale Holztreppe. Ganz unter dem Dach, an einer kleinen Tür angekommen, klopfte ich an. Leise öffnete sich die Tür. Ein kleiner, wohlgenährter, etwa 25-jähriger junger Mann schaute zur Tür heraus. Er winkte mit der Hand, als ob er schon länger auf jemanden gewartet hätte. Meine Frau musste draußen bleiben. Er machte die Tür zu und setzte sich hinter einen schwarz verdeckten Tisch. Das kleine Fenster in dem Raum war mit einem schwarzen Lappen verhängt. Auch die an der Seite stehende Holzbank war schwarz bedeckt.

Bei dem Anblick dieser Bank erinnerte ich mich an ein Erlebnis vor ein paar Jahren. In dem Städtchen Uschomir war ich unbeabsichtigt in einen GPU-Raum hineingeraten. Ich sah einen Mann auf solch einer ähnlichen Bank liegen. Ein anderer Mann schrie verzweifelt aus dem Nebenraum durch eine kleine Öffnung, als er mich sah. Es waren Worte, die ich beim Zurücklaufen aus dem Schreckensort gar nicht hören wollte: „Den Mann da auf der Bank haben sie schon so zugerichtet, der kann nicht mehr! Und jetzt komme ich dran!“

Mein „Richter“ mochte doch nicht damit gerechnet haben, dass ich so früh kommen würde. Er schien auf mein Kommen noch nicht vorbereitet zu sein, denn er suchte in seinen Akten herum. Dazwischen fragte er mich, als störe es ihn: „Was ist das für eine Frau, die da draußen steht?“ Ich sagte: „Das ist meine Frau“. „Was will sie hier?“ – fragte er weiter. Ich antwortete: „Sie ließ sich nicht zurückhalten. Sie will gern wissen, was mit mir geschieht!“ „Sagen Sie ihr, sie soll von hier weggehen und dort weiter warten“, sagte er dann.

Trotzdem er mich so finster anschaute und mir die ganze Zeit keinen Sitzplatz anbot, konnte ich ihn mit lächelnder Miene und ganz unerschrocken während dem Sprechen in die Augen schauen. Ich war so ruhig, als spräche ich mit meinen Brüdern. So verschwieg ich ihm auch nichts von Gottes Lehre und der Ansicht, die wir darüber haben. Zwischendurch sagte ich: „Ich habe heute mein Herz auf der Zunge“. Nach und nach verzogen sich seine finsteren Blicke. Nachdem er alle seine Versuche erprobt hatte, sagte er zu mir, dass ich vorläufig noch ruhig meine Tätigkeit so weiter machen könne. Manche seiner Äußerungen, und ganz besonders das Wort „vorläufig“, bestätigten mir, dass die Verfolgungen nicht fern waren. Warum uns der Mann, hinter uns herschleichend, durch die Stadt verfolgte, blieb uns ein Rätsel.