Erlösung macht uns vollkommen

Unter den Christen, die nur die Form der Gottseligkeit haben, aber ihre Kraft nicht kennen, ist der Spruch gang und gäbe: „Man kann in diesem Leben nicht vollkommen sein.“ Doch was sagt die Schrift?

1. Vollkommenheit ist geboten wie im Alten so im Neuen Testament

„Als nun Abram neunundneunzig Jahre alt war, erschien ihm der Herr und sprach zu ihm: Ich bin der allmächtige Gott, wandle vor mir und sei untadelig“ (1.Mo. 17:1, Elbf. Ü.). (Hier und in weiteren zitierten (alttestamentlichen) Bibeltexten über die Vollkommenheit steht in der engl. King James Übersetzung das Wort „perfect“ (vollkommen), das in deutschen Übersetzungen mit „untadelig“, „ungeteilt“ oder „unsträflich“ entsprechend wiedergegeben wird. (Anm. d. Red.)) „Du aber sollst untadelig sein vor dem Herrn, deinem Gott“ (5.Mo. 18:13, Elbf. Ü.). „Und du, mein Sohn Salomo, erkenne den Gott deines Vaters, und diene ihm mit ungeteiltem Herzen und mit williger Seele! Denn der Herr erforscht alle Herzen, und alles Streben der Gedanken kennt er.“ (1.Chr. 28:9).

„Darum sollt ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist“ (Mt. 5:48). „Der Jünger ist nicht über seinen Meister; jeder aber, der vollkommen geworden ist, wird sein wie sein Meister“ (Lk. 6:40). „Weil wir nun solche Verheißung haben, Geliebte, so lasst uns von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes uns reinigen und die Heiligung vollenden in der Furcht Gottes“ (2.Kor. 7:1). „Wir freuen uns ja, wenn wir schwach sind und ihr mächtig seid. Und das wünschen wir auch, eure Vollkommenheit“ (2.Kor. 13:9). „Zuletzt, liebe Brüder, freuet euch, werdet vollkommen, lasst euch ermahnen, habt einerlei Sinn, haltet Frieden! So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein“ (2.Kor. 13:11). „Darum wollen wir den Anfang der Lehre Christi jetzt lassen und uns zur Vollkommenheit wenden, indem wir nicht abermals den Grund legen mit der  Buße von toten Werken, mit dem Glauben an Gott ...“ (Hebr. 6:1).

2. Gott hat genügend dafür gesorgt, dass wir vollkommen sein können

„Gott rüstet mich mit Kraft und macht meine Wege ohne Tadel“ (Ps. 18:33). „Der Herr wird es für mich vollenden“ (Ps. 138:8; Elbf. Ü.). Da nun Gott sich vorgenommen hat, uns vollkommen zu machen, sollte es da an Kraft fehlen? „Gottes Wege sind vollkommen“ (Ps. 18:31). „Er leitet die Sanftmütigen im Recht“ (Ps. 25:9, Elbf. Ü.). „Gerechtigkeit wird vor ihm hergehen, und er wird ihre Tritte zum Weg machen“ (Ps. 85:14; Elbf. Ü.). „Er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen“ (Ps. 91:11). Deshalb tun die Gerechten „kein Unrecht“, denn sie wandeln auf seinen Wegen (Ps. 119:3) und singen von den Wegen des Herrn (Ps. 138:5).

Welch einen herrlichen Kranz himmlischer Wahrheiten bilden diese Schriftstellen – und er könnte noch viel größer gemacht werden! Sie zeigen uns, dass Gottes Weg vollkommen ist, dass er uns ihn zeigt, unsere Füße darauf stellt und darin bewahrt. Preiset seinen Namen! Somit ist es der allmächtige Gott selbst, der diese Vorkehrungen zu unserer Vollkommenheit getroffen hat. Die Macht und Weisheit des Allmächtigen bürgen dafür, dass er uns vollkommen und ohne Tadel erhalten kann. Wer kann nun sagen, dass wir in diesem Leben nicht vollkommen sein können?

Doch das ist noch nicht alles. In Kol. 1:26-28, wo von den Heiligen Gottes die Rede ist, – gehörst du zu ihnen? – lesen wir: „ ... seinen Heiligen, denen Gott kundtun wollte, was da sei der Reichtum der Herrlichkeit dieses Geheimnisses unter den Heiden, welcher ist Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit. Den verkündigen wir und ermahnen alle Menschen und lehren alle Menschen in aller Weisheit, damit wir darstellen jeden Menschen vollkommen in Christus Jesus“. Christus kam, um uns vollkommen zu machen.

„Es grüßt euch Epaphras, der von den Euren ist, ein Knecht Christi, der allezeit für euch ringt in den Gebeten, damit ihr besteht vollkommen und erfüllt in allem Willen Gottes“ (Kol. 4:12). Die Diener Christi haben also den Auftrag, die Heiligen Gottes vollkommen und erfüllt in allem Willen Gottes darzustellen. „Und er hat etliche zu Apostel gesetzt, etliche zu Propheten, etliche zu Evangelisten, etliche zu Hirten und Lehrern, zur Vollendung der Heiligen, für das  Werk des Dienstes, für die Auferbauung des Leibes Christi“ (Eph. 4:11-12, unrev. Elbf. Ü.).

„Denn alle Schrift ist von Gott eingegeben und nütze zur Lehre, zur Überführung, zur Besserung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, dass der Mensch Gottes vollkommen sei, zu allem guten Werk geschickt“ (2.Tim. 3:16-17). Die ganze Heilige Schrift ist also dazu gegeben, damit jeder, der wirklich ein Mensch Gottes ist, zur Vollkommenheit gelangen möge. Bist du ein Mensch Gottes? Wenn nicht, dann ist leicht zu verstehen, warum du nicht glauben und diesen Zustand der christlichen Vollkommenheit begreifen kannst.

„Denn das Gesetzt konnte nichts vollkommen machen, aber es wird eine bessere Hoffnung eingeführt, durch welche wir zu Gott nahen“ (Hebr. 7:19). „Denn mit einem Opfer hat er für immer vollendet, die geheiligt werden“ (Hebr. 10:14). „Der Gott des Friedens aber, der den großen Hirten der Schafe von den Toten heraufgeführt hat durch das Blut eines ewigen Bundes, unseren Herrn Jesus, vollende euch in allem Guten, damit ihr seinen Willen tut, indem er in uns schafft, was vor ihm wohlgefällig ist, durch Jesus Christus, dem Herrlichkeit sei von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.“ (Hebr. 13:20-21, Elbf. Ü.). Wir sehen also, dass Gott genug Fürsorge für unsere Vollkommenheit getroffen hat. Die ganze Fülle der Gottheit, das inspirierte Wort Gottes, die vom Geist Gottes erfüllten Diener Christi, Jesus Christus selbst, sein vollkommenes Opfer und kostbares Blut sprechen uns das Recht auf diese herrliche Gnade zu. Will man noch ferner behaupten, dass niemand jemals diese Vollkommenheit erlangte? Wir wollen nun beweisen, dass sie wie im Alten, so auch im Neuen Bunde erlangt worden ist.

3. Vollkommenheit wurde erreicht

„Das Herz Asas war ungeteilt bei dem Herrn sein Leben lang“ (1.Kön. 15:14). „Denn des Herrn Augen schauen alle Lande, dass er stärke, die mit ganzem Herzen bei ihm sind“ (2.Chr. 16:9). Würde der allwissende Gott sich nach solchen umsehen, die auf dieser Erde von ganzem Herzen bei ihm sind, wenn es solche gar nicht gäbe? – „Es war ein Mann im Lande Uz, der hieß Hiob; der war ein untadeliger und rechtschaffener Mann, der Gott fürchtete und das Böse mied. Da sprach der Herr zum Satan: Hast du meinen Knecht Hiob beachtet? Denn seinesgleichen gibt es nicht auf Erden, einen so untadeligen und rechtschaffenen Mann, der Gott fürchtet und das Böse meidet“ (Hiob 1:1.8, Schl. Ü.).

Aus dem, was folgt, scheint, dass Satan nicht an einen vollkommenen, heiligen Charakter glaubte. Er schrieb die Gerechtigkeit Hiobs selbstsüchtigen Motiven zu und stellte sie als ein Mittel zu seinem irdischen Wohlstand dar. Er meinte, wenn Gott seine Hand ausstreckte und alles antaste, was Hiob habe, so werde er sich von ihm absagen. Aber Gott weiß, was in der Menschen Herzen ist, und er wusste, dass Hiobs Heiligkeit rein und selbstlos war. So gab er diesen Mann, den er für vollkommen erklärt hatte, dem Satan preis und erlaubte ihm, Hiobs gesamtes Eigentum, seine Kinder und auch seine Gesundheit zu rauben. Obwohl solch großes Herzeleid Hiob veranlaßte zu wünschen, nie geboren zu sein, so sündigte Hiob dennoch nicht und tat nichts Törichtes wider Gott (Hiob 1:22). Als er aus dem Feuer der Trübsal hervorkam, ruhte, wie auch davor,  Gottes Wohlgefallen auf ihm. Somit erwies sich das Zeugnis Gottes über Hiobs Vollkommenheit als wahr und Satans Verdacht als eine Lüge. Gott sei Dank für das Buch Hiob! Unter anderem wird uns darin deutlich gezeigt, dass Gott auf der Seite der Vollkommenheit steht, und dass Satan und sein fluchwürdiger Unglaube ihr widerstehen. Lieber Leser, diese Tatsache wird dir helfen herauszufinden, ob du Gott oder dem Teufel angehörst. Gottes Wahrheit lehrt die Vollkommenheit und seine Heiligen bekräftigen diese Lehre durch ihren Wandel. Und Satan, obwohl er in Hiobs Fall und in tausend anderen, wo er dasselbe in Frage stellte, sich als ein Lügner erwies, ist noch immer frech genug, um mit dem Ruf fortzufahren: „Niemand ist vollkommen, niemand kann vollkommen sein!“ Und es ist eine beklagenswerte Tatsache, dass viele, die vorgeben Prediger des Evangeliums zu sein, in seinem Dienste stehen und diesen Ruf weiterverbreiten. Er wurde ihnen in der Schule „Wir müssen sündigen“ gut eingeprägt.

Lasst uns jedoch das Zeugnis Davids vernehmen: „Achte auf den Unsträflichen und sieh auf den Aufrichtigen; denn für den Mann des Friedens gibt es eine Zukunft“ (Ps. 37:37, unrev. Elbf. Ü). „[Gottlose], welche ihre Zunge geschärft haben gleich einem Schwerte, ihren Pfeil angelegt, bitteres Wort, um im Versteck zu schießen auf den Unsträflichen ...“ (Ps. 64:4-5, unrev. Elbf. Ü.). „Meine Augen sind auf die Treuen im Lande gerichtet, damit sie bei mir wohnen. Wer auf vollkommenem Weg wandelt, der darf mir dienen“ (Ps. 101:6. Elbf. Ü.). Wozu die Aufforderung: „Achte auf den Unsträflichen“, wenn niemand unsträflich oder vollkommen ist? Und wie könnte der Gottlose auf den Unsträflichen schießen, wenn es auf Erden keinen gibt? Und abermals, wie könnten Gottes Augen auf die Treuen im Lande sehen, die auf vollkommenen Wegen wandeln, wenn es keine solche im Lande gebe?

Vernimm auch das Zeugnis Hiskias: „Gedenke doch, Herr, wie ich vor dir gewandelt habe in der Wahrheit, mit vollkommenem Herzen, und habe getan, was dir gefallen hat“ (Jes. 38:3, Luth. Ü. 1912). Lieber Leser, kannst du vor Gottes Angesicht mit solcher Zuversicht über deinen Wandel vor ihm reden? Wenn du in der Wahrheit und mit vollkommenem Herzen vor Gott gewandelt bist, wirst du es vor ihm auch mit derselben festen Zuversicht bezeugen können.

Folgende Texte bezeugen klar, dass christliche Vollkommenheit auch im Neuen Bund erlangt werden kann. „Wir reden aber Weisheit unter den Vollkommenen“ (1.Kor. 2:6). „Und ihr seid vollkommen in ihm, welcher ist das Haupt aller Fürstentümer und Obrigkeiten“ (Kol. 2:10, Luth. Ü. 1912). Paulus hatte das Vorrecht Vollkommenen zu predigen, somit muss es zu seiner Zeit solche gegeben haben.

„Wie viele nun von uns vollkommen sind, die lasst uns so gesinnt sein“ (Phil. 3:15). Im 11. und 12. Vers desselben Kapitels spricht der Apostel von der Auferstehung der Toten als von einer Vollkommenheit, die er noch nicht erreicht habe. Viele verdrehen wissentlich oder unwissentlich seine Worte und deuten sie als eine Verneinung der christlichen Vollkommenheit. Doch jedermann kann sehen, dass er dort von der Auferstehung des Leibes und der Belohnung am Jüngsten Tage redet. Solche Ausleger übergehen außerdem stillschweigend Paulus’ Worte im 15. Vers, wo er von schon erlangter Vollkommenheit redet.

Wir habe nun bewiesen, dass es einen Stand in der Gnade gibt, den die Schrift Vollkommenheit nennt. Auch dass uns ausdrücklich geboten ist, diesen Stand zu erlangen, und dass genügend Vorkehrungen dafür getroffen sind.  Und dass dieser Stand in diesem Leben wirklich erreicht wurde und davon Zeugnis abgelegt worden ist. Hieraus entsteht die Frage: „Was ist Vollkommenheit? Ohne Zweifel glauben viele nicht an Vollkommenheit, weil sie sich darunter etwas vorstellen, das man in diesem Leben nicht erlangen kann. Wenn wir aber die einfache Aussagen der Heiligen Schrift von gegenwärtiger Vollkommenheit in Christus glauben, so lasst uns diese Begriffe auch so anwenden, wie die Schrift es tut, und nicht anders. Wir wollen uns bei der Antwort auf die obige Frage auf das Neue Testament beschränken. Jesus selbst gibt uns die Richtschnur in Matth. 5:48: „Darum soll ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“ Es ist klar, dass dieses „vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel“ sich auf gewisse Eigenschaften Gottes bezieht. Wir führen sie aus dem Wort Gottes an:

1) Rein, wie auch er rein ist (1.Joh. 3:3);

2) Gerecht, gleichwie er gerecht ist (Mt. 6:33, 2.Kor. 5:21; 1.Joh. 3:7);

3) Teilhaftig seiner Heiligkeit und seiner Natur (2.Kor. 7:1; Hebr. 12:10; 2.Petr. 1:4);

4) Vollkommen in Liebe (1.Joh. 4:17);

5) Vollkommen in Geduld (Jak. 1:4; Kol. 1:11);

6) Vollkommen im Glauben (1.Thess. 3:10, Hebr. 12:2; Röm. 1:17,  1.Kor. 13:7).

Vollkommenheit des christlichen Charakters ist also die Frucht der Erlösung und eine Erfahrung, die gegenwärtig gemacht werden kann. Sie ist nicht nur für einige Bevorzugte und wird auch nicht durch Erziehung, Wachstum oder Ausbildung erlangt, sondern „mit einem Opfer hat er [Christus] die, die geheiligt werden, für immer vollkommen gemacht.“ (Hebr. 10:14, Elbf. Ü.). Hier werden die Geheiligten als vollkommen dargestellt, und mit Heiligung ist ja die Erlösung gemeint – „... dass Gott euch von Anfang an erwählt hat zum Heil in der Heiligung des Geistes und im Glauben der Wahrheit“ (2.Thess. 2:13). Wir preisen den Herrn, unseren Gott, dass der vollkommene Christus für uns eine vollkommene Erlösung bewirkte, die uns zu vollkommenen Christen macht und uns „heilig und untadelig und unsträflich vor sich“ erhält (Kol. 1:22).