Erlösung lässt uns keine Entschuldigung für die Sünde

Fast alle Gläubige, die noch sündigen, geben zu, dass die Bibel von uns ein reines und heiliges Leben verlangt und dass wir von der Sünde frei sein sollen. Die meisten dieser Leute aber behaupten, dass wir in diesem Erdenleben dieser Anforderung nicht entsprechen können. Und dass die Gebote „Seid heilig“, „Seid vollkommen“ uns als Ziel gegeben sind, dem wir so nahe wie möglich kommen sollen, das wir aber, so lange wir im Fleisch und in dieser sündigen Welt leben, nicht erreichen können.

So liegt mir ein Brief von einem gewissen S. aus Brookville, Pa., vor, darin dieser Sektierer seine Sünden zu entschuldigen versucht. Er schreibt von unserem „lächerlichen Versuch, die längst geplatzte Lehre von der völligen Heiligung in diesem Leben wieder aufzurichten“. Weiter führt er aus: „Alle geben zu, dass völlige Heiligung das Ziel jedes wahren Gotteskindes sein sollte und es in jedem Abschnitt seines Erdenlebens auch wirklich ist. Es ist auch gewiss wahr, dass Gott von jedem zurechnungsfähigen Menschen verlangt, dass er heilig sei, wie er heilig ist, und vollkommen, wie er vollkommen ist. Niemand leugnet oder hat dies je geleugnet; die Frage aber steht in Wirklichkeit so: Sind wahrhaft Gläubige das, was sie sein sollten? Sind sie so heilig, so vollkommen, so sündlos und fleckenlos, wie sie sein sollten, und wie es Gott von ihnen verlangt? Die wahre Gemeinde Gottes sagt ganz entschieden Nein! Ihr aber, die Betrogenen, antwortet ja. So behaupten ihr, dass ihr so heilig, so vollkommen, so sündlos und fleckenlos seid, wie wir sein sollten oder gar sein können. Hieraus folgt, dass diejenigen, die vorgeben in diesem Leben völlig geheiligt zu sein, auch nicht erwarten, heiliger, sündloser und fleckenloser als hier auf Erden im Himmel zu sein, wenn sie dort die Erlösungslieder singen werden.“

„Der Apostel sagt, als er von wahren Gläubigen nach dem Tode spricht, dass wir ihm [Christus] gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist. Doch solche wie ihr, die an eine völlige Heiligung in diesem Leben glauben, meinen, dass sie schon jetzt so rein, heilig und sündlos seien, wie der Herr Jesus Christus. Erlaubt mir zu sagen, dass solch ein Glaube einfach widerlich ist für den, der erkannt hat, dass das Menschenherz trügerisch ist, mehr als alles, und unheilbar. Ja das ist mehr als widerlich, das ist eine Gotteslästerung.“

„Lasst uns einige Schriftstellen untersuchen, auf die ihr euch stützt, um eure Lehre zu begründen: „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig“, „Darum sollt ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“ Diese Gebote nehmt ihr als Beweis, dass ein wahrer Gläubiger in diesem Leben heilig sei. Doch dies beweist nur eure bedauernswerte Unkenntnis der Schrift. Diese Stellen zeigen nur, wie der wahre Gläubige sein sollte, ja sein muss, und nicht was er wirklich ist, eurem anmaßenden Gerede zum Trotz.“

Der letzte Satz sagt viel aus von einem Mann, der uns „der äußersten Niederträchtigkeit in den meisten wenn nicht in allen unseren Artikeln“ beschuldigt. Nun, Herr S., wir haben weder Zeit noch Verlangen, mit solchen Ausdrücken umzugehen. Denn „die Waffen unseres Kampfes sind nicht fleischlich, sondern mächtig vor Gott“. Wir brauchen nichts Stärkeres als die Wahrheit und nichts Schärferes als das Wort Gottes.

Die Worte dieses Kämpfers gegen die Macht Gottes, die seine Verheißungen in uns wahr machen kann, und solche Leute aus uns machen will, die in seinen Geboten wandeln und seine Rechte halten, repräsentieren die typische babylonische Verwirrung über Gottes Wort. Erstens nennt er die Lehre der völligen Heiligung in diesem Leben „eine längst geplatzte Lehre“. Anderseits gibt er zu, dass Gott gerade das von allen Menschen verlange. So scheint er zu schließen, dass diese Forderung Gottes an seine Geschöpfe längst geplatzt oder ein Fehlschlag sei. Er schrieb: „Die Frage aber steht in Wirklichkeit so: Sind wahrhaft Gläubige das, was sie sein sollten? Sind sie so heilig, so vollkommen, so sündlos und fleckenlos, wie sie sein sollten, und wie es Gott von ihnen verlangt?“ So machen es die Mietlinge immer: Sie fragen in Wirklichkeit nicht danach, was Gott verlangt, noch wie die Menschen sein sollten, sondern wie sie sind und was ihnen gefällt. Er möchte gerne haben, dass wir die hohen Forderungen Gottes fallen ließen, weil die große Masse der Sektenmitglieder diesen Forderungen bei weitem nicht entspricht. Wie nachdrücklich klingen doch die Worte des Apostels zu diesem Gedanken: „Rede ich denn jetzt Menschen oder Gott zu Dienst? Oder suche ich Menschen gefällig zu sein? Wenn ich noch Menschen gefällig wäre, so wäre ich Christi Knecht nicht“ (Gal. 1:10). In dieser Frage sind die Menschen anderer Meinung als Gott. Gott verlangt, dass sie heilig, vollkommen und fleckenlos vor ihm wandeln sollen. Aber sie kommen diesem bei weitem nicht nach. Wenn sie nun mit Gott eins werden wollen, so muss entweder er ihnen nachgeben, oder sie müssen auf seine hohen Wegen treten; entweder muss Gott seine Anforderungen ändern, oder die Menschen müssen seinen Anforderungen gerecht werden. Was müssen wir als Knechte und Botschafter Gottes in diesem Fall tun? Reden wir denn jetzt Menschen oder Gott zu Dienst? Müssen wir Gott überreden, sein Wort zu ändern, oder die Menschen, dass sie ihre Wege verlassen und auf Gottes Weg treten? „Suche ich Menschen gefällig zu sein?“ Davor bewahre mich Gott, denn „wenn ich noch Menschen gefällig wäre, so wäre ich Christi Knecht nicht.“

Von dieser menschengefälligen und Gott verunehrenden Handlungsweise haben schon die Propheten geweissagt: „... sondern [sie] sagen zu den Sehern: ‚Ihr sollt nichts sehen!‘, und zu den Schauern: „Was wahr ist, sollt ihr uns nicht schauen! Redet zu uns, was angenehm ist; schaut, was das Herz begehrt!‘“ (Jes. 30:10). „Sollte ich das an ihnen nicht heimsuchen, spricht der Herr, und sollte ich mich nicht rächen an einem Volk wie diesem? Es steht gräulich und grässlich im Lande. Die Propheten weissagen Lüge, und die Priester herrschen auf eigene Faust, und mein Volk hat‘s gern so. Aber was werdet ihr tun, wenn‘s damit ein Ende hat?“ (Jer. 5:29-31).

Der Schreiber jenes verkehrten Briefes vertritt in etwa diese Stellung: „Gott verlangt von jedem zurechnungsfähigen Menschen, dass er heilig sei, wie er heilig ist, usw.“ Doch überall, d.h. in Babylon, wo er sich befindet, sind die Menschen unheilig und unvollkommen. Deshalb sei die Forderung Gottes „längst geplatzt“. Nun, wenn wir diesen babylonischen Maßstab gelten lassen, so ist Gottes Wort geplatzt und gefallen; doch wenn wir der Schrift recht geben, so erweist sich Babylon als geplatzt und gefallen. Was stimmt nun? Eine Stimme vom Himmel sprach: „Sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babylon, die Große, und ist eine Behausung der Dämonen geworden und ein Gefängnis aller unreinen Geister“ (Offb. 18:2).

Wir könnten die obenangeführte Beweisführung genauso auf die Lehre über Buße und viele andere Forderungen Gottes anwenden, denen die Menschen nicht entsprechen. Sicher lehrt die Schrift, dass Gott von allen zurechnungsfähigen Menschen verlangt, dass sie ihre Sünden bereuen. Doch die Frage steht so: Hat die Menge der Namenschristen aufrichtige Buße getan? Natürlich nicht. Also wäre dann die Forderung Gottes an die Menschen, Buße zu tun, eine längst geplatzte Lehre. Und Prediger, die diese Lehre vertreten, wären „bedauernswert unwissend“ in der Schrift, und Zuhörer, die ihnen glauben, wären betrogen. Diese Beweisführung ist genau dieselbe, wie sie S. auf die Forderung der Heiligung angewendet hat. Und wenn sie gegen die Heiligung gilt, dann gilt sie auch gegen Buße und Bekehrung. Doch natürlich ist solch eine Beweisführung lächerlich und falsch, eine blinde Verwirrung.

Der Ansicht des Briefschreibers S. nach ist ein „wahrer Gläubiger“ ein solcher, der die Wahrheit nicht glaubt und nicht das ist, was er sein sollte, noch was Gott von ihm fordert. Und ein Mensch, der Gottes Wort wirklich glaubt, seine Kraft erfährt, da­rin lebt und davon Zeugnis gibt, ist „beklagenswert unwissend“ und seine Lehre ist „widerlich,“ ja „gotteslästerlich.“ – „Weh denen, die Böses gut und Gutes böse nennen, die aus Finsternis Licht und aus Licht Finsternis machen, die aus sauer süß und aus süß sauer machen! Weh denen, die weise sind in ihren eigenen Augen und halten sich selbst für klug!“ (Jes. 5:20-21).

Nachdem der Finsternis für Licht ausgebende Schreiber die Schriftstellen: „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig,“ „Darum sollt ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist“, angeführt hatte, schrieb er: „Diese Gebote nehmt ihr als Beweis, dass ein wahrer Gläubiger in diesem Leben heilig sei. Doch dies beweist nur eure bedauernswerte Unkenntnis der Schrift. Diese Stellen zeigen nur, wie der wahre Gläubige sein sollte, ja sein muss, und nicht was er wirklich ist“.

Wir müssen bekennen, dass wir wirklich sehr unwissend in Schriften sind, die lehren, dass ein wahrhaft Gläubiger noch ein unheiliger Mensch ist, und dass er nicht das ist, was er sein sollte oder sein muss. Auch haben wir noch nie in der Schrift gelesen, dass ein Mensch zwei Herren gleichzeitig dienen kann, oder dass er ein Christ und ein Sünder gleichzeitig sein kann. Und auch nicht, dass ein guter Baum faule Früchte, oder ein fauler Baum gute Früchte tragen kann. Wir sind auch noch nicht zu der neuen Erkenntnis gekommen, dass ein wahrhaft Gläubiger dem Wort Gottes nicht glaubt, und dass derjenige, der es glaubt und lehrt, ein Gotteslästerer sei.

Unser Freund S. scheint sehr aufgeregt zu sein durch das Zeugnis der Kinder Gottes, dass das Blut Christi sie so „heilig, vollkommen und sündlos gemacht hat, wie sie sein sollten.“ Würde er so gut sein und durch Gottes Wort beweisen, dass es recht ist und zu Gottes Ehre diene, wenn wir es nicht sind? Daran denkend, dass die göttliche Gnade uns Kraft zum Kämpfen verleiht, gibt er doch zu, dass wir so sein sollten, sein müssen und dass Gott es von uns erwartet. Das stellt er nicht in Frage. Doch er fragt: „Sind wir, wie wir sein sollten?“ Das ist in Babylon freilich sehr fraglich. Doch das hat weder mit dem Wort Gottes etwas zu tun, noch mit denen, die auf Gottes Ruf aus Babylon ausgegangen sind und „vollkommen in ihm, welcher ist das Haupt aller Fürstentümer und Obrigkeiten“, gemacht wurden. Gott erbarme sich über die Bewohner dieser dunkeln Stadt der Verwirrung. Wie einige Jünger Jesu, die an seiner Rede Anstoß nahmen, nennen auch sie das, was Gott von allen seinen Kindern verlangt, eine „harte Rede“: „Hieraus folgt, dass diejenigen, die vorgeben in diesem Leben völlig geheiligt zu sein, auch nicht erwarten, heiliger, sündloser und fleckenloser als hier auf Erden im Himmel zu sein, wenn sie dort die Erlösungslieder singen werden.“

Darauf antworten wir: „Warum denn nicht?“ Lies die vorhergehenden Kapitel und sage vor dem Allmächtigen, wo noch eine Entschuldigung für deine Sünden bleibt. Wer ist so töricht und denkt, dass er am Tage des Gerichts vor Gott auftreten und sagen kann: „Herr, wir wussten, dass du von allen zurechnungsfähigen Menschen verlangst, dass sie heilig seien, wie du heilig bist, und vollkommen, wie du vollkommen bist. Niemand leugnet dies. Doch wir bekennen, dass wir weder so heilig, noch so vollkommen, noch so sündlos sind, wie wir sein sollten und wie du es von uns verlangst. Und das ist unsere Rechtfertigung: Wir konnten nicht erfüllen, was du von uns gefordert hast.“ Willst du so vor ihm reden und ihn zum Lügner machen, der doch gesagt hat: „Meine Gnade genügt dir“, und der noch tausend andere Verheißungen gab, um uns vollkommen zu heiligen, und um alle, die willig sind und ihm gehorchen, an Seele und Leib, in Herz und Leben untadelig zu bewahren?

Oder willst du dem Richter sagen: „Unsere Prediger lehrten uns, wir könnten, solange wir hier im Fleisch leben, nicht rein und vollkommen werden?“ Dann wird der Richter antworten: „Ich sandte die Propheten nicht und doch laufen sie; ich redete nicht zu ihnen, doch weissagen sie“ (Jer. 23:21); „denn welchen Gott gesandt hat, der redet die Worte Gottes“ (Joh. 3:34). „Verflucht ist der Mann, der sich auf Menschen verlässt und hält Fleisch für seinen Arm und weicht mit seinem Herzen vom Herrn“ (Jer. 17:5).

Wiederum fragen wir: Warum können wir denn in diesem Leben nicht rein, heilig und sündlos werden? Ist Christus nicht erschienen, „damit er unsere Sünden wegnehme, und es ist keine Sünde in ihm“ (1.Joh. 3:5)? Ist es etwa nicht wahr, dass das Blut Jesu Christi uns rein macht von aller Sünde (1.Joh. 1:7)? Werden wir etwa nicht „aus Gottes Macht durch den Glauben bewahrt zum Heil, welches bereit ist, dass es offenbar werde in der letzten Zeit“ (1.Petr. 1:5)? Reicht die Kraft Gottes nicht aus, um dies alles in uns zu verwirklichen?

Herr S. beantwortet diese Frage wie folgt: „Der Apostel sagt, als er von wahren Gläubigen nach dem Tode spricht, dass wir ihm [Christus] gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist“. – Das ist eine Verdrehung des Wortes Gottes, ein sanfter und beruhigender Betrug des Satans. Die Bibelstelle lautet so: „Geliebte, wir sind nun Gottes Kinder; und es ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen aber, wenn er offenbar wird, dass wir ihm gleich sein werden; denn wir werden ihn sehen, wie er ist. Und ein jeglicher, der solche Hoffnung auf ihn hat, der reinigt sich, gleichwie jener rein ist“ (1.Joh. 3:2-3). Obwohl diese Worte auch die entschlafenen Heiligen Gottes einschließen, beziehen sie sich nicht ausschließlich auf sie noch auf einen Zustand, der durch den Tod bewirkt wird. Sie schließen auch die Treuen ein, die das Kommen Christi in ihrem Leibe erleben werden. „Wir werden ihn sehen, wie er ist“, an dem herrlichen Tag seiner glorreichen Erscheinung und werden dann erfunden, wie er ist. Wir wissen auch, dass dann eine Veränderung stattfinden wird, indem unser nichtiger Leib so verklärt wird, dass er seinem verklärten Leib ähnlich werde. Das wird die Auferstehung sein.

Aber die Worte des Apostels nehmen nicht darauf Bezug, denn sonst würde er sich in folgender Weise ausgedrückt haben: „Wenn er kommt, werden wir ihm gleich gemacht werden“. Hier bezieht er sich jedoch auf die zu unserer Lebzeit vorgegangene moralische Verklärung in sein Bild, die durch Gottes Gnade und Geist bewirkt wird. Dieses Ebenbild unseres Schöpfers, das in Kol. 3:10 erwähnt wird, meint die völlige Heiligung. Dies wird ganz klar gemacht durch den Teil des Bibeltextes, den S. wegließ, nämlich: „Und ein jeglicher, der solche Hoffnung auf ihn hat, der reinigt sich, gleichwie jener rein ist.“ Wer also erwartet, Christus bei seinem Kommen gleich zu sein, der muss diesen Zustand schon vorher erreichen, er muss sich reinigen, gleichwie jener rein ist.  Dann wird er Christus gleich sein, wenn er erscheinen wird. Der dritte Vers erklärt somit das, was im zweiten gesagt wird. Christus gleich zu sein meint, völlig geheiligt oder „reinen Herzens“ zu sein, denn solche werden, wie Christus sagte, ihn schauen.

Derselbe Herzenszustand ist auch in 1.Joh. 4:17 beschrieben: „Darin ist die Liebe vollkommen geworden bei uns, dass wir Freimütigkeit haben am Tage des Gerichts; denn gleichwie er ist, so sind auch wir in dieser Welt.“ Auch hier bezieht sich die Gottesähnlichkeit unserer Seele nicht auf die zukünftige Welt. Der Apostel spricht nicht von einem Zustand nach dem Tod, sondern davon, dass wenn unsere Liebe vollkommen geworden ist, wir ihm schon jetzt ähnlich sind. Dieser Zustand wird nicht etwa durch den Tod herbeigeführt, sondern die vollkommene Liebe ist die Frucht der Herzensreinheit. Das Herz wird durch das Blut Jesu Christi so völlig gereinigt, dass darin nichts übrigbleibt als die Liebe Gottes, die durch den Heiligen Geist ausgegossen ist. Völlige Reinheit und völlige Liebe sind miteinander verwandt und eines schließt das andere in sich ein.

So beweist der Bibeltext, den man anführte um zu beweisen, dass wir erst nach dem Tode Christus gleich sein werden, im Zusammenhang mit dem nächsten Vers, dass wir schon in diesem Leben ihm gleich sein können, „denn gleichwie er ist, so sind auch wir in dieser Welt!“ Lieber Leser, bist du in diesem Leben in sittlicher Reinheit ähnlich geworden Christus, der zu Rechten Gottes auf dem Throne seiner Herrlichkeit sitzt? Wenn nicht, so wird sich deine Hoffnung, an dem Tage des Gerichts bestehen zu können, als verhängnisvoller Irrtum erweisen.

Man beachte, dass Gegner der Lehre über völlige Heiligung in diesem Leben zugeben, dass wir heilig und sündlos sein sollten, ja sogar müssen. Solche Ausdrücke verpflichten doch zu etwas ganz Bestimmten. Wenn wir heilig sein sollen, dann sind wir dazu moralisch verpflichtet. Sicherlich betonen solche Leute wie S. vor ihren Zuhörern bezüglich anderer Forderungen Gottes oft, dass sie nicht in den Himmel eingehen können, wenn sie versäumen, ihnen nachzukommen. Wie kann er dann erwarten, am Tage des Gerichts zu bestehen, wenn er nicht in dem Stand der völligen Heiligung, in dem er sein sollte und den Gott von ihm verlangt, erfunden wird? Wenn ein Mensch Gottes heiliges Gebot: „Ihr sollt heilig sein“, unbeachtet lassen kann, welche Forderung der Schrift ist dann bindend? Irret euch nicht, noch lasset euch betrügen, denn das Wort Gottes steht auf ewig fest im Himmel und wird uns am Jüngsten Tag richten. Dann wird das Wort „Ihr sollt heilig sein!“ wie Donnerschall zu allen Unheiligen reden, ihre Seelen mit Schrecken erfüllen und sie vor dem heiligen Angesicht Gottes und der Macht seiner Herrlichkeit vertreiben. Wenn du in diesem Leben nicht so rein wie Christus wirst, verbleibt etwas von der Sünde in dir. Der Tod reinigt aber nicht von der Sünde. Wenn du also in solchem Herzenszustand stirbst, wirst du auch am Gerichtstag so erscheinen und vor Gottes Angesicht weichen müssen.

Die Ursache des Unglaubens von Herrn S. liegt hier: „Erlaubt mir zu sagen“, schrieb er, „dass solch ein Glaube einfach widerlich ist für den, der erkannt hat, dass das Menschenherz trügerisch ist, mehr als alles, und unheilbar.“ Ja, hier sieht man, aus welchem Herzen dieser elende Unglaube an die völlige Heiligung kommt! „Den Reinen ist alles rein; den Unreinen aber und Ungläubigen ist nichts rein, sondern unrein ist beides, ihr Sinn und ihr Gewissen“ (Tit. 1:15). Es ist kein Wunder, dass dieser Mann über die Lehre der Herzensreinheit so empört ist, denn „das Böse zu meiden, ist den Toren ein Gräuel“ (Spr. 13:19).

Sicherlich zweifeln wir nicht an der Wahrheit der Worte des Propheten, „dass das Menschenherz trügerisch ist, mehr als alles, und unheilbar“ (Jer. 17:9, Elbf. Ü.). Aber wer ist so blind, dass er nicht erkennen könnte, dass hier die Rede von dem Menschenherzen in seinem natürlichen verdorbenen Zustand ist? Jesus sprach gewiss nicht von einem solchen Herzen, als er sagte: „Glückselig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen“ (Mt. 5:8). Wenn man diese Worte des Propheten Jeremia auf alle Christen anwendet, so zeugt das von bedauernswerter Unwissenheit über die herzensreinigende Kraft des Blutes Christi. Ja, aus solchen Worten folgt, dass das Herz des Schreibers noch nicht erneuert ist. Sicherlich herrscht große Finsternis in Babylon, sonst würden seine Lehrer besser wissen als das gottlose, trotzige Herz des Sünders zum Maßstab für Christen hinzustellen. Dadurch versuchen sie auch Sünden in ihrem eigenen Herzen und Leben zu entschuldigen. Hätte der König Hiskia ein trügerisches und boshaftes Herz gehabt, hätte er in seiner Sterbestunde dem Herrn sicherlich nicht entgegnen können: „Ach, Herr, gedenke doch, dass ich vor dir in Treue und mit rechtschaffenem Herzen gewandelt bin und getan habe, was dir wohlgefällt“ (2.Kön. 20:3).

Wenn diese Worte des Propheten den Zustand des Christenherzens schildern, so möchten wir fragen, was hat dann Christus für uns getan? Wozu vergoss er dann sein Blut? Und wozu brauchen wir dann die Erlösung? Wen meinte Paulus, als er Timo­theus schrieb: „Jage aber nach der Gerechtigkeit, dem Glauben, der Liebe, dem Frieden mit denen, die den Herrn anrufen aus reinem Herzen“ (2.Tim. 2:22)?

Ach, wann hören die Menschen auf, das Wort Gottes und seine Forderungen ihrem betrügerischen Herzen und unheiligen Leben anzupassen, anstatt ihre Verantwortung durch das Wort Gottes zu sehen und seine allmächtige Gnade in Anspruch zu nehmen, um dadurch auf die hohen Wege Gottes zu gelangen? Eine Minute ernsten Nachdenkens über dieses Thema sollte jeden Menschen mit gesunden Menschenverstand überzeugen, wenn das Heil vom unbegrenzten Gott kommt, dann kann ein Mensch, der dieses völlige Heil ergreift, in jeder Hinsicht das sein, was er sein sollte und sein muss den Forderungen Gottes gemäß. Wer dürfte auch nur einen Augenblick leugnen, dass es Gott möglich sei, alle Sünde aus dem ganzen Wesen des Menschen zu entfernen und unsere Seelen zu dem heiligen Ebenbild zu erneuern, in dem er uns ursprünglich erschuf? Oder dass er den Satan unter unseren Füßen zertreten will, uns Macht über alle Macht des Feindes gibt, mit der Versuchung auch den Ausgang schafft, dass wir es ertragen können, und uns unbefleckt und untadelig bewahrt vor seinem Angesicht, frei von der Sünde jeden Augenblick unseres Lebens? Die Allmacht und Allgegenwart Gottes verstopfe den Mund aller, die sich dagegen auflehnen! Wo sind „die Wortstreiter dieser Welt“, welche die Fähigkeit Gottes, das alles für uns zu erfüllen, in Frage stellen wollen?

Eins von beiden muss aus dem Gesagten folgen. Entweder können wir „besonnen, gerecht und gottselig leben in dieser Welt“ oder Gott will nicht, obwohl er es kann, uns vor der Sünde bewahren. Wenn er es nicht will, dann ist klar, dass er auch nicht will, dass wir heilig und rein leben sollen. Mit anderen Worten: Er erlaubt die Sünde in uns und rechtfertigt uns sogar darin. Dies würde davon zeugen, dass er an der Sünde Wohlgefallen hat und folglich ihn selbst als unheilig darstellen. Wir erinnern uns, dass Gott in seinen „allergrößten und teuren Verheißungen“ sich dazu verpflichtet hat, uns vollkommen, rein und tadellos zu machen und zu erhalten. Wenn er es nun nicht tun wollte, würde sein Wort versagen und seiner Treue Abbruch tun, was ihn wiederum als unheilig darstellen würde.

Wenn wir also Gottes Fähigkeit bezweifeln, uns zu heiligen und zu bewahren, leugnen wir seine Allmacht. Und wenn wir seine Willigkeit diesbezüglich bezweifeln, leugnen wir seine Heiligkeit. Mit anderen Worten: Der Versuch, die Sünde in irgend einer Form oder in irgend einem Grade zu entschuldigen oder zu rechtfertigen, bedeutet Gott der Eigenschaften seines göttlichen Wesens zu berauben. Und die Schlussfolgerung der ganzen Argumentation lautet so: Entweder ist der Christ kein Sünder, oder ist Gott kein Gott! Daher spricht der Herr: „Wenn ich nicht gekommen wäre und hätte es ihnen gesagt, so hätten sie keine Sünde; nun aber können sie nichts vorwenden, um ihre Sünde zu entschuldigen“ (Joh. 15:22). Wenn daher irgend ein Mensch auf Erden, der das Evangelium gehört hat, noch meint, er habe eine Entschuldigung für seine Sünden und Unreinheit oder dafür, das er nicht das ist, was er sein sollte, sein muss und was Gott von ihm erwartet, so ist er vom Seelenfeind betrogen. Solche Menschen werden einmal vor dem Richterstuhl Gottes diese schrecklichen Worte hören: „Ich habe euch noch nie gekannt; weichet alle von mir, ihr Übeltäter!“ O, wie viele Tausende hält der Satan in dieser Schlinge gefangen! Die Worte Jesu haben sich in Wahrheit erfüllt: „Und es werden sich viele falsche Propheten erheben und werden viele verführen“ (Mt. 24:11). Sie „haben den Schein eines gottseligen Wesens, aber seine Kraft verleugnen sie; und solche meide“ (2.Tim. 3:5).

Lieber Leser, wir bitten dich um deiner Seele willen, suche die Erlösung in Jesus, die von aller Sünde erlöst, und lebe unsträflich und untadelig vor Gott. Denn wenn du jetzt nicht das bist, was du vor Gott sein solltest, so wirst du am Gerichtstag auf der Waage Gottes gewogen und zu leicht erfunden werden!