Transkaukasien und Kaukasus

Von dort fuhr ich über 100 Kilometer zurück und kam dann nach Transkaukasien. Am 23. November 1925 kam ich in Tiflis an. Dort fand ich den Bruder Grötzinger samt seiner lieben Familie im Dienst des Herrn stehend. Er, wie auch andere Brüder, besuchten zu jener Zeit auch noch die Versammlungen an anderen Orten. Ich war zu einer größeren, das heißt, zu einer allgemeinen zweiwöchentlichen Versammlung der Transkaukasier eingeladen worden. In Tiflis traf ich viele Geschwister, die auch schon auf dem Weg zur Versammlung in Luxemburg (Katharinenfeld) waren.

Die Arbeit unter den Geschwistern hier war nun wieder ganz anderer Art. In dieser Gegend waren die Deutschen manchen in anderen Gegenden im Wirtschaftlichen in vielem voraus. So hatten sie schon damals in den Dörfern elektrische Straßen-, Haus-, Stall- und Hofbeleuchtung. Auch so manche andere Fortschritte gab es an anderen Orten noch nicht. Und dieses fortschrittliche Bewusstsein machte manchen auf dem geistlichen Gebiet Schwierigkeiten.

Bruder Hoss aus Grünfeld, Bruder Huber aus Katharinenfeld und Bruder Beck aus Annenfeld haben sich während der Gefangenschaft in Deutschland bekehrt. Dort wurden sie auch mit den Schriften und der Lehre der Gemeinde Gottes bekannt. Als sie nach Hause zurückkehrten, nahmen sie – besonders Bruder Hoss – anstatt Kleider und andere für sie wertvolle und nützliche Sachen, Jahrgänge der „Evangeliums-Posaune“ und andere wichtige und für sie wertvolle Lehrbücher mit. Mit den Geschwistern in Deutschland blieben sie in regem Briefwechsel.

Bald wurden sie dann mit den Brüdern Zacharias und Grötzinger in Tiflis bekannt, die schon vor dem Krieg für die Wahrheit standen. Und nun gingen sie freudig Hand in Hand an die Arbeit. Mit Bruder Zacharias hatte ich schon vor dem Krieg Briefwechsel gehabt. Durch Bruder Heinrich Huber, der uns in Wolhynien aufsuchte, kamen wir dann näher zusammen. Bruder Hinz, Bruder Heinrich Ackermann und Bruder Johann Lutz waren in den Jahren 1924-1925 schon bei ihnen gewesen. Zu der großen Lagerversammlung im Jahre 1925 besuchte auch ich sie.

Luxemburg – eine kleine Stadt –, früher ein deutsches Dorf namens Katharinenfeld, liegt zwischen den großen Gebirgen an der türkischen Grenze. Wir erlebten dort herrliche Zeiten. Mehrere rühmten, Frieden gefunden zu haben. Täglich hatten wir auch mit den leitenden Geschwistern eine Zusammenkunft. Bruder Heinrich Huber mit Unterstützung von Schwester Karoline Krämer und anderen Geschwistern standen der Gemeinde vor. Wir suchten damals auch den Platz zum Bau des Versammlungshauses aus.

Die Arbeiter im Werke Gottes dort waren der Ansicht, dass jemand, der noch unbekehrte Kinder hat, nicht predigen darf. Auch hierüber schenkte der Herr während unseres Beisammenseins Licht, so dass es sich dann für alle recht segensreich erwies. Wir dankten und lobten den Herrn für alles. Wie auch Bruder Hoss sich äußerte: „Ich bin enttäuscht worden, aber zum Guten!“

Die Brüder wurden darüber einig, dass wir die Versammlungen verkürzten, um auch die Kolonien an verschiedenen Orten besuchen zu können. Zuerst war ich zwei Tage lang bei den Tifliser Geschwistern. Bruder Grötzinger arbeitete als Monteur, seine Frau als Musiklehrerin, Bruder Zacharias als Vorsteher im Elektrizitätswerk und Bruder Metzler als Gärtner. Der Herr konnte sie für die Arbeit in seinem Weinberg gut gebrauchen. Die Geschwister nutzten ihre Zeit und Gelegenheiten aus. Sie besuchten auch mehrere nahe liegende Orte. Sie säten den Samen der Wahrheit, wo sie nur konnten; und zu Gottes Ehre ging er auch auf und wuchs.

Bruder Metzler begleitete mich in die kleine Stadt Schampoer, früher die deutsche Kolonie Annenfeld, in der Bruder Beck der Gemeinde vorstand. Dann ging es nach Grüntal, einer neuen, in den Bergen angesiedelten Kolonie. Von dort fuhren wir nach Grünfeld, wo Bruder Hoss dem Werke vorstand. Es waren gesegnete Stunden, obwohl die Arbeit auch so verschieden und mit mancherlei Schwierigkeiten verbunden war. Bruder Hoss begleitete mich dann nach Helenental, der ältesten deutschen Kolonie in Transkaukasien.

Dann ging es von dort nach Baku. Dort war auch schon längere Zeit eine Versammlung, die die Lehre der Gemeinde Gottes für die richtige hielt. Eifrig gingen auch sie an die Arbeit für den Herrn. Nun hatte sich etwas Störendes eingeschlichen: Das allgemeine gegenseitige Begrüßen der Brüder und Schwestern mit einem Kuss. Bruder Grötzinger und andere Brüder hatten sie schon besucht und dagegen zu beeinflussen versucht, doch sie konnten sie davon nicht abbringen. Sie hielten daran fest und glaubten richtig zu handeln. Aus dem Grunde wollte Bruder Hoss zuerst nicht so gern dahin mitkommen. Ich sagte ihm aber, dass wir nicht küssen werden. Und tun die Schwestern es an uns, dann ist es nicht unsere Schuld. Einen Stand direkt dagegen können wir nicht einnehmen, sonst könnten auch wir unter ihnen nichts ausrichten.

So willigte Bruder Hoss ein und wir hatten dort zweimal täglich Gottesdienste. Am Nachmittag kamen wir im Industrieviertel zusammen und am Abend in der Weißstadt, wie sie es nannten. Ohne dass wir uns gegen dieses Grüßen äußerten, verlor es sich nach und nach. Und, als wir nach acht Tagen den Platz verließen, hielten nur noch ganz wenige daran fest. Es äußerten sich manche, dass sie über das Licht, das ihnen der Herr inzwischen geschenkt hatte, sehr froh und dankbar wären. Obwohl sie über 600 Kilometer von den transkaukasier Geschwistern entfernt waren, pflegten sie doch Gemeinschaft und besuchten sich gegenseitig. Bruder Beret, der schon etwa 38 Jahre gläubig zu sein bekannte, stand der Gemeinde vor.