Von Adolf Weidmann, Südamerika

Wie das Werk der Gemeinde Gottes im nördlichen Kaukasus (Russland) entstanden ist und sich bis nach Südamerika fortpflanzte.

Ich kann mich noch gut an jene Zeit erinnern. Bruder Karl Janke war ein fleißiger Bibelforscher. Er lebte in einer deutschen Kolonie Romanowka im Terekgebiet (Kaukasus) und war ein Mitglied der dortigen Baptistengemeinde. Im Jahre 1903 bekam er Licht darüber, dass nach dem Worte Gottes die Gemeinde der gläubigen Kinder Gottes eine bessere sein müsste.

Er schrieb an einen christlichen Verlag in Nordamerika und bat, dass sie ihm eine gute, religiöse Zeitschrift zusenden möchten, die mit dem Worte Gottes genau übereinstimmt. Nach geraumer Zeit erhielt er durch die Post ein Exemplar der „Evangeliums-Posaune“ aus USA. Inzwischen war der Bruder mit seiner Familie nach dem Städtchen Chasawjurt umgezogen, um dort als Schuster sein Handwerk besser treiben zu können.

Dieses Blatt war für ihn ein kostbarer Schatz. Schon der Titel fesselte ihn. Und der Inhalt stimmte auch voll und ganz mit dem Worte Gottes überein. An einem Abend, kurz nach meiner Bekehrung, besuchte ich die Geschwister dort. Der Bruder ermahnte mich in aller Liebe. Er sagte mir, dass es nicht genug ist, dass wir uns bekehren und taufen lassen, sondern als Kinder Gottes müssen wir auch einen heiligen Lebenswandel führen. Dieses machte auf mich einen starken Eindruck.

Der Bruder behielt die „Evangeliums-Posaune“ nicht für sich allein, sondern gab sie auch anderen zu lesen. Er erzählte auch davon, dass wir als Kinder Gottes so leben müssen und dass dieses Blatt ganz mit dem Worte Gottes übereinstimme. So fand die „Evangeliums-Posaune“ dann auch bald in mehreren Herzen und Häusern in Romanowka eine gute Aufnahme.

Bruder Janke setzte sich dann mit dem Verlagswerk in Verbindung, von dem wir auch von der ersten großen deutschen mehrtägigen Versammlung in Wolhynien erfuhren. Zu dieser fuhr Bruder Christian Koroch hin. Und als er zurückkam, brachte er den Bruder Doebert als den ersten Pionier mit.

Das war 1908. Und ein Jahr darauf kamen Geschwister Doebert wieder und mit ihnen Schwester Clara Stegmann aus Nordamerika und Bruder Rudolf Malzon. Die Freude war sehr groß. In der Zwischenzeit war auch die Familie von Karl Janke wieder nach Romanowka zurückgekommen.

Die Geschwister weilten mehrere Monate unter uns und wir hatten sehr gesegnete Versammlungen, die im Schuppen der Geschwister Conrad Meier abgehalten wurden. Klar und entschieden, doch in Liebe, wurde das Wort Gottes verkündigt. Es entstand dann unter den Gläubigen eine große Bewegung. Mehrere taten Buße und bekehrten sich zum Herrn. Andere wiesen es als ganz falsch zurück. Die Lehre der Gemeinde Gottes fasste dort aber festen Fuß, obwohl der Teufel sich dagegen sehr auflehnte. Wir hatten unsere regelmäßige Versammlungen, zuerst in Privathäusern. 1910 kauften die Geschwister ein geräumiges Wohnhaus und richteten es zu einem Bethaus ein. 1912 wurde bei Geschwister Koroch im Schuppen eine große verlängerte Versammlung abgehalten, welche für das junge Werk dort sehr segensreich war. Auf dieser mehrtägigen Versammlung wurden auch Bruder Rudolf Malzon und seine Braut von Bruder Ebel getraut und am letzten Tage der Versammlung ihre Hochzeit gefeiert.

Geschwister Ebel kamen noch etliche Male hin und gelten als Pioniere des Werkes dort. Die Leitung dort wurde den Brüdern Conrad Meier und Karl Janke anvertraut. Das Werk ging gut voran und der Herr bewies seine Kraft unter seinen Kindern auch durch mancherlei Wunder und Zeichen. Die Wahrheit erfasste auch weitere Ortschaften dort und ging bis in den Gouvernement Stawropol hinein.

Auch bei den Russen fasste die Wahrheit Fuß, so dass im Jahre 1913 die „Evangeliums-Posaune“ in russischer Sprache herausgegeben wurde. Bearbeitet wurde sie von Bruder Knope in Riga und Bruder Adolf Kelm in Kostopol. Und als Bruder Ulmer nach Riga kam, arbeiteten er und Bruder Knope daran.

Als 1914 der Krieg ausbrach, gab es ein Hemmnis für das Werk. Mehrere Brüder wurden in den Krieg eingezogen, auch der Deutschenhass machte sich sehr bemerkbar. Auch die Brüder Knope und Ulmer wurden eingezogen. Dadurch musste die Herausgabe der „Evangeliums-Posaune“ in russisch eingestellt werden. Nach dem russischen Umsturz wurde die Lage der Einwanderer im nördlichen Kaukasus durch die einheimischen Völker sehr gefahrvoll. Für die Tataren und Tscherkesen stand nun zum Rauben und Morden Tor und Tür offen. Alle Bemühungen der Einwanderer, diesem Treiben Einhalt zu bieten, war vergeblich. Und es kam soweit, dass alle Einwanderer, Deutsche und auch Russen, im Februar 1918 alles verlassen und von dort fliehen mussten. Mehrere fielen in Räuberhände und wurden schändlich misshandelt, einige auch getötet. Auf dem Weg von Chasawjurt nach Romanowka wurde Bruder Samuel Ulmer mit noch mehreren Reisenden beschossen. Er bekam einen Nierenschuss. Das war am 16. Januar und am 18. Januar starb er daran. Wilhelm Meglin bekam einen Fußschuss, davon er sich aber wieder erholte. Zwei Brüder Benke wurden beim Pflügen auf dem Feld überfallen und erschossen.

Bei Tag und Nacht lebten die Menschen in Furcht und Todesgefahr. Am 31. Januar ergriff auch das Dorf Romanowka die Flucht, zuerst bis zum Nachbardorf. Dorthin kamen 150 freiwillige Soldaten aus der Stadt Kislar mit 2 Maschinengewehren, um uns herauszuhelfen. Am Sonntagmorgen, dem 2. Februar, ging es zusammen mit den Einwohnern des Nachbardorfes in Schneegestöber und großer Räubergefahr unserem Rettungsort, der Stadt Kislar, zu. Unterwegs schlossen sich unserem Zug noch 8 deutsche Dörfer und 2 Russendörfer an. Wir zogen, wie es möglich war: zu Fuß, mit Pferd oder mit dem Wagen. Es war ein Weinen und Schreien von Kindern und ein Blöken vom Vieh. Die Szene war furchtbar! Wir waren in großer Angst, denn die Feinde kamen uns immer nach. Es war ähnlich, wie damals bei den Kindern Israel. Auch uns hat der Herr wunderbar bewahrt und über den Terekfluss geholfen.

Als wir nun schon mehr in Sicherheit waren, teilten sich die Bewohner von Romanowka in zwei Gruppen, ungefähr auf die Hälfte. Die eine Gruppe suchte Aufnahme im Kubangebiet und die andere in den deutschen Dörfern bei der Stadt Rosowka, in der Ukraine und im Gouvernement Jekaterineslaw. So blieben wir voneinander getrennt, außer einer Familie Klingbeil, die uns nachkam. Nach und nach erhielten wir von den Zurückgebliebenen nur noch wenige briefliche Nachrichten. Bruder Karl Janke ist im Kubangebiet gestorben.

Zwei Brüder, Karl und Konrad Meier, gingen ohne Familien noch einmal zurück ins Terekgebiet und sind dort spurlos verschwunden. Manche sind gestorben, andere sind in die Verbannung gekommen. Etliche wohnen noch im Kubangebiet und auch in Terek bei der Stadt Kislar.

Wir blieben bis August 1919 in der Ukraine. Dann sind wir auf Veranlassung der deutschen Regierung, die das Beste für uns zu tun versuchte, ins Kurland übersiedelt. Aber der deutsche Umsturz am 9. November 1918 machte auch diesem unserem Unternehmen ein Ende. Als die deutschen Truppen das Land verließen und die Bolschewiken heranrückten, kamen wir wieder in große Gefahr. Bruder Peter Kinas und sein Sohn August, Bruder Ferdinand Meglin, Bruder Adam Hinz, die leiblichen Brüder Julius und Andreas Koroch wurden dort von den Bolschewiken erschossen. Der Schmerz um diese Lieben war für uns sehr groß. Mit der Hilfe des Herrn und dem Beistand der deutschen Truppen gelang es uns Lebenden, noch heraus und nach Deutschland zu kommen. Nur die Familie Gustav Linning ist dort zurückgeblieben. In Deutschland fanden wir in der Provinz Pommern Aufnahme als Arbeiter auf den Landgütern. Dort besuchten uns auch Bruder Heinrich Flottmann und Bruder Robert Girke. Und wir hatten mit ihnen gesegnete Versammlungen. Auch war es einigen von uns möglich, Weihnachten 1920 die verlängerte Versammlung in Essen zu besuchen. Während dieser erkannte auch ich tiefer die Wahrheit. Gelobet sei dafür Gottes heiliger Name!

Im November 1922 wanderten wir nach Brasilien aus. Die Geschwister Otto Doebert sorgten für manche Hilfe für uns. Von den Unsrigen blieb Bruder Reinhold Meglin in Pomerellen zurück. Er starb dort am 1. Februar 1923. Seine liebe Frau und Kind gingen nach einer Zeit zusammen mit ihren leiblichen Geschwistern zurück nach dem Kaukasus. Allerdings bereuten sie das nachher sehr. Für sie war dann kein Herauskommen mehr möglich. Wir und andere Familien ließen ihnen noch von Brasilien aus Geldunterstützungen zukommen.

Für uns, die wir fast alle mittellos waren, war der Anfang in Brasilien im Urwald ziemlich schwer. Manchen Familien reichte das in Deutschland verdiente Geld kaum für die Überfahrt. Manche mussten schon teilweise unterwegs Kleidungsstücke verkaufen, um an Ort und Stelle zu kommen.

Hier in Brasilien war es nun fast einer jeden Familie möglich, für eine sehr kleine Anzahlung bei einer deutschen Siedlungsgesellschaft eine Urwaldkolonie anzukaufen. Der Herr half und segnete uns so wunderbar. Viele früheren Einwohner wunderten sich, dass wir so schnell vorankamen. So war aus dem Urwald in etlichen Jahren eine schöne Kolonie entstanden. Wir nannten sie „Neu-Hoffnung“, sie war im Staate Santa Catharina. Auch im Geistlichen hat uns der Herr reichlich gesegnet. Schon in den ersten Monaten unseres Hierseins konnten wir mit regelmäßigen Versammlungen und Sonntagsschulen beginnen. Zuerst hatten wir sie in Privathäusern oder Schuppen. Am Sonntag, dem 14. Dezember 1934 zogen wir mit unserer Versammlung und Sonntagsschule in das neu erbaute Bethaus ein. Das war das erste Bethaus der Gemeinde Gottes in Brasilien, wohl auch in Südamerika. Gegenwärtig ist Bruder Heinrich Weißburger dort Prediger. Auch ist dort im vorigen Jahr eine Bibelschule gegründet worden. Jetzt hat die Gemeinde Gottes in Brasilien schon 5 Bethäuser und 4 Prediger nebst etwa 10 Brüdern und Mithelfern.

Seit Pfingsten 1929 hatten wir in Neu-Hoffnung schon viermal verlängerte Versammlungen, dreimal in Rio des Antas und zweimal im Staate Rio Grande do Sul. Die Arbeit auf geistlichem Gebiet wurde immer größer, es fehlte an Arbeitern. Wir vereinigten uns und beteten zum Herrn, dass er Arbeiter zu uns nach Südamerika senden möchte. Auch schrieben wir deshalb an die Brüder nach York, Nebraska (USA) und Kassel (Deutschland). Und der Herr hat wunderbar eingegriffen. Er sandte uns Hilfe durch Geschwister David Meier von Nordamerika, die am 29. November 1935 nach Brasilien kamen. Ebenfalls kamen Geschwister Salomon Weißburger und Sohn am 6. April 1935. Dem Herrn sei Lob und Dank dafür!

Nun war auch die Zeit gekommen, dass ich dem Rufe folgen und in die Arbeit nach Argentinien gehen konnte. Bis dahin war dort noch kein Prediger der Gemeinde Gottes. Es haben aber trotzdem nahezu 50 Geschwister die Wahrheit der Gemeinde Gottes dort erkannt. Sie hatten auch ihre regelmäßigen Versammlungen. Am 1. Februar reiste ich in Begleitung meiner lieben Frau und Tochter von Neu-Hoffnung ab. Wir kamen, nach längerem Aufenthalt in etlichen Ortschaften, auch durch Guarony, wo sich uns Geschwister David Meier anschlossen. Am 8. April kamen wir wohlbehalten zu Geschwister G. Radke in Leandro W. Alem Missiones an. Hier war dann die erste verlängerte Versammlung vom 11 bis 18. April angesetzt und der Herr segnete auch hier sein Werk. Die Gemeinde hier in der Stadt Leandro W. Alem hat schon ein Grundstück gekauft. Sie will in der nächsten Zeit mit dem Bau eines Bethauses beginnen.

Hier werden an etlichen Plätzen Versammlungen abgehalten: in der Provinz Entre Rios, in Krespo, auch in Buenos Aires im Hause von Bruder Karl Lanz. Auch im argentinischen Jakogebiet bei Villa Angela sind überall Geschwister und Versammlungen der Gemeinde Gottes. Es fehlt noch immer an gottergebenen, ausgerüsteten Arbeitern. Lasst uns den Herrn darum bitten! Die Arbeitsfelder sind hier in Südamerika sehr groß, die Ernte ist reif. Kommt, Brüder, Schwestern, kommt und helft dem Herrn, die Garben einzusammeln. Lasst uns wirken, solange es noch Tag ist. Der Herr segne sein Werk hier in Südamerika, in Russland und auf der ganzen Erde – bis zur Vollendung! Das ist mein Gebet.