4. Schwierigkeiten wegen des Zögerns

Frage: Vor einiger Zeit weihte ich mich Gott, um die völlige Heiligung zu erlangen, und glaubte auch, dass ich geheiligt worden sei. Danach fing ich an zu zweifeln, ob ich völlig geheiligt sei, und weihte mich wieder. Das habe ich mehrere Male getan, und zwar so oft, dass ich nicht mehr weiß, was ich nun tun soll. Könnt ihr mir irgendwie aus dieser Schwierigkeit heraushelfen? Ich zweifle an meiner Weihe. Ich bin in dem Maß geweiht, soviel ich Erkenntnis darüber habe. Aber ich habe so ein beängstigendes Gefühl der Unsicherheit und Ungewissheit und weiß nicht, wie ich dem ein Ende machen kann. Ich schäme mich zu bekennen, wie oft ich mich schon geweiht habe und schäme mich, dem Herrn zu sagen, dass ich Ihm geweiht bin; denn ich habe so oft gezweifelt, dass ich mir selbst nicht mehr sicher bin. Auch mein Glaube ist so schwach. Wenn ihr mir helfen könntet, wäre ich sehr dankbar.

Antwort: Die Geschichte vom Pilger Gewissenhaft wird dir sicher interessant und auch von Nutzen sein. Er selbst erzählte mir die Geschichte, und ich will sie dir wiedererzählen, so gut ich mich noch darauf besinnen kann.

Pilger Gewissenhaft ging über den Jordan das erste Mal vor 22 Jahren und war seitdem noch nie von der Stelle weggekommen, an der die Leute über den Jordan gehen. Immer hättest du ihn sehen können, wie er seinen Gedenkstein prüfte. Wieder und wieder hob er ihn auf, watete so weit wie möglich ins Wasser und ließ seinen Stein mit einem tiefen Seufzer fallen. Dann ging er auf bestem Weg, den er ausfindig machen konnte, wieder in die Wüste zurück. Er blieb jedoch nicht lange dort, sondern machte sich bald wieder auf den Weg nach Kanaan. Immer strebte er danach und versprach sich, einen anderen Gedenkstein zu wählen, aber, denke dir, immer kam er mit demselben Stein heraus, den er das erste Mal hatte.

Fragst du nun, warum er so handelte? Die Ursache ist leicht zu erklären: Pilger Gewissenhaft wollte so sicher sein, dass er sich in Kanaan befinde, dass er bei all seinem Wollen und Bestreben sich dennoch nicht ganz sicher war. Er war mit dem besten Beweis nicht zufrieden. Niemand hat eine bessere Erfahrung der völligen Heiligung erlebt als er, keiner ist mit einem besseren Beweis in Kanaan eingetreten als er. Aber nahe an der Übergangsstelle wohnt ein schlimmer alter Riese namens Ungewiss, ein Halbbruder des Riesen Zweifel. Ungewiss hielt mit diesem Pilger immer Gemeinschaft. Gerade das war die Ursache seiner Schwierigkeiten. Die stärksten Pilger warnten Gewissenhaft vor den verderblichen Anschlägen dieses hartnäckigen alten Riesen, aber er schien ihre Warnungen nicht zu beachten.

Gewissenhaft wollte seinen Gedenkstein mit der Gewissheit aufrichten, dass er es auch wirklich das letzte Mal oder ein für allemal tat. Nun trat jedes Mal der Riese Ungewiss zu ihm heran, und wäre jemand gegenwärtig gewesen, so hätte er immer folgendes gesehen und gehört:

– Pilger Gewissenhaft: Durch der Gnade Gottes verspreche ich feierlich, meine Erfahrung der Heiligung nie mehr anzuzweifeln, nein, nie mehr. Herr, höre mein Gelübde. Nie, nie mehr zweifeln! Ich bin bei der Übergangsstelle zu lange stehen geblieben. Ich muss Kanaan erforschen.

– Riese Ungewiss: Guten Morgen, lieber Pilger! Bist du dir sicher, dass du diesmal den Stein vom rechten Platz genommen hast? Es scheint mir, es ist derselbe Stein, den du schon so oft herausgebracht hast. Du weißt doch, dass du mit diesem Stein nie zufrieden gewesen bist, und ich kann nicht einsehen, wie das jetzt der Fall sein kann. Ist es nicht zweifelhaft, ob du überhaupt über den Jordan gegangen bist? Deine Weihe ist wahrscheinlich doch ein Fehlschlag, und du weißt, dein Glaube ist schwach. Sei lieber vorsichtig. Du möchtest doch gewiss nicht betrogen werden, nicht wahr?

Gewissenhaft wischt sich den Schweiß von der Stirn. – Wirklich, es ist derselbe alte Stein! Mein Gott, kann ich denn nicht eine bessere Erfahrung erlangen? O Herr, hilf! – Der arme Pilger sieht so aus, als sei er das Elend selber.

– Ungewiss: Da muss doch irgendwo etwas verkehrt sein. Vielleicht hast du zu schnell mit dem Übergang angefangen. Oder vielleicht hast du etwas bei der Weihe ausgelassen. Hast du nicht gestern eine Pflicht vernachlässigt? Und dann bedenke doch, du versprachst Gott, nie mehr zu zweifeln. Nun sieh, du zweifelst ja gerade in diesem Augenblick. Es ist ja offensichtlich, dass du irgendwo einen Fehler gemacht haben musst. Ich glaube, das Beste ist, du versuchst es noch einmal. Etwas ist verkehrt! Prüfe alles noch einmal richtig durch. – Und der Riese Ungewiss plapperte in derselben Weise noch viel mehr.

Gerade jetzt griff Pilger Gewissenhaft an seine Seite, und seine Hand berührte den Griff des Geistesschwertes. Gerade als er dem Riesen Ungewiss einen Schlag versetzten wollte, sagte dieser: „Es kann dir nicht schaden, sicher zu gehen. Wenn du über den Jordan richtig gegangen wärst, würdest du doch zufrieden sein. Und viel Mühe wird es dir nicht machen, noch einmal zurückzugehen und ein wirklich gründliches Werk zu tun.

Nach diesen Worten willigte Gewissenhaft ein, ließ das Schwert wieder los, ging zum Gedenkstein, hob ihn auf seine Schultern und hinkte zurück zum Jordan, um wieder auf die andere Seite zurückzukehren und ihn aufs Neue zu überqueren.

Und einen Tag darauf, als Pilger Gewissenhaft mit demselben Stein wieder nach Kanaan hinüberging, weil bei seinem Übergang eben kein anderer Stein da war – denn jeder hat seinen eigenen Stein – stellte er ihn auf wie zuvor.

Eines Tags jedoch, nachdem er den Stein aufgestellt hatte, sagte: „Durch die Gnade Gottes bin ich jetzt fertig mit Zweifeln“.

Als der alte Riese Ungewiss an jenem Tage wieder aus seiner Höhle herauskam, schwang Pilger Gewissenhaft sein Schwert und versetzte einen fürchterlichen Schlag gerade auf des Riesen Nacken. Nie zuvor war Ungewiss so eilig weggerannt wie diesmal vor diesem zuverlässigen Schwert. Seit dieser Zeit ist Gewissenhaft in Kanaan eingedrungen, hat mehrere andere Riesen überwunden und im Land, darin Milch und Honig fließt, ein schönes Heim für sich gewonnen.

 

Dein Gefühl der Ungewissheit in Bezug auf deine Weihe mag die Folge deines Wankelmuts sein. Niemand kann sich seines Zustands gewiss sein, wenn er sich weiht und dann seinem Wort untreu wird, sich wieder weiht und auch dies anzweifelt. Mit all diesem muss sofort Schluss gemacht werden, und zwar in der Weise, dass du dein eigenes Wort achtest und Verwirrung diesbezüglich zurückweist. Diesem Hin und Her kann ein Ende gemacht werden, wenn du dich einmal selbst bei der Hand nimmst und zu einem wirklichen endgültigen Entschluss zugunsten deiner Heiligung kommst. Bist du geweiht, wie du deinem Verstehen nach geweiht sein solltest, dann sollte dies genügen. In solchem Fall ist es nur noch nötig, dass du diese Angelegenheit zum Abschluss bringst, alles dem Herrn übergibst und damit die Sache abschließt.

Bist du nun zu diesem endgültigen Entschluss bereit, so wird es der Mühe wert sein, deine Weihe zu überprüfen. Hast du noch irgendwelche Götzen, an denen du liebäugelnd hängst? Ist es dir ein Vergnügen, etwas für andere um Christi willen zu tun? Will es dir schwer werden, von deinem Geld für die Sache des Herrn zu opfern? Hast du eine Seelenbürde? Gehörst du wirklich ganz dem Herrn? Begehe nicht den Fehler zu glauben, dass eine gute Einstellung zu Jesus eine Weihe sei. Weihe bedeutet, dahin zu kommen, wo unser alles ein und für allemal Christus übergeben ist.

Vielleicht liegt der Grund deiner Ungewissheit darin, dass du Gott nicht sehen und sagen hören kannst: „Ich nehme dich an!“ Würde Gott als sichtbare Person gerade vor dir stehen, während du auf deinen Knien liegst und dich Ihm übergibst, so würdest du die Wirklichkeit deiner Erfahrung vielleicht mehr erkennen. Aber das wird es nicht geben. Denn uns ist Gottes Wort gegeben, das sagt: „Wer zu Mir kommt, den werde Ich nicht hinausstoßen“ (Joh. 6:37). Ferner sagt es uns: „Bringt aber die Zehnten ganz in mein Kornhaus, auf dass in meinem Hause Speise sei, und prüft mich hierin, spricht der Herr Zebaoth, ob Ich euch nicht des Himmels Fenster auftun werde und Segen herabschütten die Fülle“ (Mal. 3:10). Glaube ist notwendig, wenn wir etwas von Gott empfangen wollen. Es mag scheinen, als würde Er dich nicht beachten; aber sei unbesorgt und vertraue völlig, dass Er dich doch beachtet.

Natürlich hast du das Vertrauen zu dir selbst verloren, nachdem du dich geweiht und nachher die Weihe wieder angezweifelt hast. Aber auch dem wird ein schnelles Ende gemacht, wenn du den rechten Kurs einschlägst. Um dein Selbstvertrauen und dein inneres Gleichgewicht wieder herzustellen, gebe alle Gedanken der Entmutigung und des Zweifels über dich selbst auf. Prüfe dich selbst. Was bist du überhaupt? Bist du ehrlich? Hat dein Wort einen Wert? Kannst du einen Entschluss durchführen, eine getroffene Entscheidung beibehalten? So lasse dich also von der Vergangenheit nicht mehr belästigen! Lass deine Gedanken durchaus nicht mehr an ihr hängen bleiben, und weihe dich ruhig und freimütig dem Herrn. Meine es aufrichtig und lass dich davon nicht mehr abbringen.

Ein anderer Fehler ist es, wenn du glaubst, die Weihe verloren zu haben, während nur eine Prüfung, durch die du gekräftigt werden sollst, an dich herangetreten ist. Vielleicht meinst du, jede Pflicht müsse dir, wenn du Gott geweiht bist, als etwas Erfreuliches erscheinen. Darin irrst du. Bat nicht Jesus, der doch mit Geist und Willen mit dem Vater eins war, dreimal: „Vater, wenn es möglich ist, so lass diesen Kelch an Mir vorübergehen; doch nicht wie Ich will, sondern wie Du willst.“ Manches, was Gott dir auflegt oder was Er zulässt, mögen harte Dinge sein, für die du dich veranlasst fühlen wirst, Gott um Gnade zu bitten, damit du sie verrichten oder tragen kannst. Das Entscheidende ist jedoch, ob du sie verrichten oder tragen willst. Gehorchst du dem Herrn trotz der Versuchung, dem Willen Gottes auszuweichen, dann ist deine Weihe völlig.

Darum, liebe Seele, mache aller Ungewissheit und aller Unsicherheit ein Ende, komme jetzt zum Altar Gottes und lege alles, was du hast und bist, darauf – dein Leben, deinen Körper, Seele, Geist, Herz, Talente, Zeit, Güter, Wille und alles andere. Binde alles mit einer unnachgiebigen, unwiderruflichen Entscheidung deines Willens fest. Betrachte dich als ganz dem Herrn gehörig. Fange an, jede Begebenheit deines Lebens in diesem Licht zu betrachten und einzuschätzen. Gestatte nicht, dass etwas zwischen dich und Gott tritt, lass Ihn dein ein und alles sein.

Denke aber bitte nicht, dass diese Weihe oder Widmung irgendwie verdienstlich sei, oder dass man damit irgendeine Segnung erwerben könnte. Das ist sie überhaupt nicht. Die Weihe bringt dich zu einem Zustand oder Stellung, wo Gott mit dir machen kann, was Er will. Und das möchte Er um deiner selbst, also um deines Vorteiles willen tun. Solange etwas von deinem Willen Ihm im Weg steht, kann Er den Heiligen Geist über dich nicht ausgießen, und ebenso kannst du dich nicht der völligen Erlösung erfreuen.

Nichts ist so gut wie der Wille Gottes, nichts so verehrungswürdig. In diesem Willen ist dir das edelste Leben, der völligste, freieste Ausdruck deiner Persönlichkeit, die beste Anwendung und Benützung deiner Talente, die größte Freude, das lieblichste Vergnügen, die schönste Ruhe, die größte Wonne in dieser Welt und ewige Freude zur rechten Hand Gottes verbürgt.

O ergreife diesen Willen Gottes! Suche ihn, berge dich darin, erfreue dich daran, sei dafür begeistert, strecke dich danach aus. O fliehe nie vor ihm, gehe ihm nie scheu aus dem Weg, vernachlässige ihn nie und widerstehe ihm nicht! Sich dem Willen Gottes ausliefern, bedeutet, den richtigen Platz im Leben zu finden und glücklich zu sein in Erfüllung der Bestimmung, die Gott in seiner unendlichen Weisheit geplant hat.