Überfluss

„Du schenkest mir voll ein“ (Ps. 23:5).

Die Übersetzung ist schön; aber die wörtliche Übersetzung ist noch schöner. Sie lautet: „Mein Becher fließt über.“ Das ist noch mehr, als wenn es heißt: „Du schenkest mir voll ein“. David sagt froh und kühn: „Mein Becher fließt über.“ Was heißt das denn?

Wir können es wieder vom Apostel Paulus lernen, was das heißt. Der schreibt an die Römer: „Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Fährlichkeit oder Schwert? Wie geschrieben steht: „Um deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag; wir sind geachtet wie Schlachtschafe“.  Aber in dem allem überwinden wir weit um deswillen, der uns geliebt hat“ (Röm. 8:35-37).

Nicht wahr, das stimmt mit dem Psalmisten überein? „Mein Becher fließt über,“ – sagt David. „Mehr als ein Überwinder,“ – bezeugt Paulus. O es kommt so viel darauf an, wie man in den Kampf geht. Gehst du in den Kampf mit dem Gedanken: Ich werde ja doch geschlagen, es hilft ja doch alles nichts, – dann gibt’s natürlich Niederlagen. Das ist unausbleiblich. Aber gehst du in den Kampf mit der Siegeszuversicht:

„Wir fürchten unsere Feinde nicht,

Denn Jesus führt den Krieg,

Und selige Erfahrung spricht:

Wo Jesus ist, ist Sieg!“ –

dann wirst du siegen, das ist ganz gewiss. An den Sieg glauben, das ist schon halb gesiegt.

Darf ich dir noch ein anderes Wort des Apostels Paulus zeigen, aus dem es auch hervorgeht, das sein Becher überfließt? Dort schreibt der Apostel: „Darum bin ich gutes Muts in Schwachheiten, in Misshandlungen, in Nöten, in Verfolgungen, in Ängsten, um Christi willen; denn, wenn ich schwach bin, so bin ich stark“ (2.Kor. 12:10). Wie? Der Apostel ist „guten Mutes“ in solchen Lagen? Ja, sogar noch mehr als das. Er hat Wohlgefallen daran. Aber wie kann denn ein Mensch an solchen Dingen wie Schmach und Verfolgung Wohlgefallen haben? O man kann schon Wohlgefallen daran haben, wenn man bedenkt: In solchen Lagen tritt der Herr auf den Plan und verherrlicht sich in unserer Ohnmacht und Schwachheit. Solche Schwierigkeiten und Nöte sind gerade die Gelegenheiten, in denen sich Gott verherrlicht, da zeigt Er, was Er vermag.

Bist du schon mal „gutes Muts“ gewesen in solchen Schwierigkeiten? Hast du schon mal Wohlgefallen daran gehabt? Ach, wie vielen kommt so eine Frage lächerlich vor. Und doch sollte es bei uns gerade so stehen den Widerwärtigkeiten des Lebens gegenüber, wie es bei Paulus stand! Und wenn du die Frage soweit abweist, dann weißt du gewiss noch nichts von dem Überfließen des Bechers!

Noch ein anderes Wort möchte ich dir zeigen, das auch ganz und gar mit Davids Wort übereinstimmt. Es ist der zweite Vers des Jakobusbriefes. Es heißt: „Meine lieben Brüder, achtet es für eitel Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen fallet!“ Jakobus fordert die Kinder Gottes auf, es „für eitel Freude,“ das heißt, für nichts als Freude, ohne jede Beistimmung von Verdrießlichkeiten, zu halten, wenn sie in mancherlei Anfechtungen fallen, wie es wörtlich heißt.

Es gibt solche Tage, – nicht wahr, du kennst sie? – wo alles so recht verkehrt zugeht. Man hat sich vielleicht verschlafen. Nun ist man darüber ärgerlich; man kommt zu spät zur Arbeit, der Prinzipal knurrt, das ärgert einem noch mehr; man ärgert dann noch die anderen – kurz, ein kritischer Tag. Was soll man an solchen Tagen tun? Jakobus sagt, man soll sich freuen, nur freuen. Wie kann er das denn fordern? Darum, weil jeder Mensch es höchst selbstverständlich und natürlich findet, dass man sich an solchem Tag ärgert. Dann verwundern sich alle Leute und fragen: Wie geht denn das zu? Wie bringst du das fertig? Sieh, solche Tage sind die allerbesten Gelegenheiten, den Herrn zu verherrlichen und den Leuten zu zeigen, wozu Jesus imstande ist; dass Er die Seinen auch durch solche Tage hindurchtragen kann, ohne dass sie sich verunreinigen und versündigen.

Darum ist es keine leere Redensart, sondern der Apostel Jakobus, der überhaupt ein sehr praktischer Mann war, wusste ganz genau, was er schrieb, als er mit diesen Worten seinen Brief anfing: „Meine lieben Brüder, achtet es für eitel Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen fallet!“ Es war ihm so wichtig, dass er damit seinen Brief begann. „Mein Becher fließt über“. Oh, dass es doch die Erfahrung aller Kinder Gottes werden möchte, was der Psalmist in diesen Worten ausspricht, dass sie „einen Sieg nach dem anderen“ erhielten, wie es Ps. 84:8 heißt: „dass man sehen muss, der rechte Gott sei zu Zion“!