Das Leben ist ein Fest

„Du salbest mein Haupt mit Öl“ (Ps. 23:5).

Es gab zu allen Zeiten verschiedene Salbungen. Propheten wurden gesalbt, Priester wurden gesalbt, Könige wurden gesalbt. Wenn das alles hier auch keineswegs ausgeschlossen ist, so ist der nächste Sinn dieser Stelle doch gewiss ein anderer. Das sagt uns der Zusammenhang ganz deutlich, wo von dem Tisch und dem überfließendem Becher die Rede ist.

Als Jesus in des Pharisäers Haus eine Begegnung mit jener Sünderin hatte, da sagte Er, als sich die frommen und gestrengen Männer über dieselbe entrüsteten: „Du hast mein Haupt nicht mit Öl gesalbt; sie aber hat meine Füße mit Salbe gesalbt“ (Lk. 7:46). Sein Gastgeber hat diese Pflicht der Höflichkeit, diesen Beweis der Liebe außer acht gelassen. Das hat Jesus empfunden.

„Du salbest mein Haupt mit Öl“ – zum Fest, zur Freude. Darum ist bei einem Kind Gottes, das in Verbindung mit Gott steht, das Ihm stündlich vertraut, das Leben ein Fest.

Wie? Das Leben ein Fest? Das kann man doch nicht sagen! Es gibt doch so viele Schwierigkeiten, so viele Widerwärtigkeiten, die man doch nicht „ein Fest“ nennen kann. „Ein Kampf“, das kann man eher sagen. Aber ein Fest? Nein. Wer das sagt, der kennt das Leben nicht. Der hat gewiss noch nichts erlebt. Solche Lieder wie „Immer fröhlich, alle Tage Sonnenschein“ sind schwärmerische Begeisterungen und aus einer frommen Aufwallung des Gefühls entsprungen; aber das Leben sieht doch anders aus.

Gut, das ist deine Meinung. Nun lass mich einmal die Meinung der Bibel sagen. Ich denke, es sei die Auffassung der Knechte Gottes der Bibel gewesen: Das Leben ist ein Fest. Soviel ist gewiss: Paulus schreibt an die Thessalonicher: „Seid allezeit fröhlich“ (1.Thess. 5:16). Wenn man das nicht sein könnte, dann würde der Apostel es gewiss nicht geschrieben und gefordert haben. Wenn der Apostel ein junger Mann gewesen wäre, als er das schrieb, ein Mann, der vom Ernst des Lebens nichts wusste noch kannte, dann könnte man ja vielleicht ein Fragezeichen hinter das Wort machen und sagen: Das geht wohl etwas zu weit. Aber nein, der Mann, der das schrieb, war durch Leiden aller Art hindurchgegangen. Er war in der Schule der Leiden erprobt und bewährt worden. Was für eine lange Liste von Leiden und Trübsalen ist das, die er in 2.Kor. 11 gibt. Was hat dieser Mann durchgemacht! Und dieser erprobte Kämpfer Jesu Christi, der fordert uns auf: Seid allezeit fröhlich! Darum müssen wir uns doch mit dem Worte auseinander setzen und dazu Stellung nehmen. Wir können nicht einfach darüber hinweggehen und sagen: Allezeit fröhlich sein, das kann kein Mensch. Aber wenn der Apostel es von anderen gefordert hat, hat er es dann selbst getan? Ist er denn selbst immer fröhlich gewesen? Das wird man doch von einem fordern dürfen, der so eine Forderung an andere selbst stellt. Gewiss, das darf man.

Lies einmal das 16. Kapitel der Apostelgeschichte, da hast du eine Antwort auf deine Frage. Paulus hatte den Wahrsagergeist aus der Magd ausgetrieben. Darüber waren die Herren der Magd sehr entrüstet, weil sie nun ihre gute Einnahmequelle verloren. Sie erregen einen Aufruhr. Paulus und Silas wurden ergriffen, furchtbar gestäupt und blutig geschlagen; dann warf man sie ins Gefängnis. Der Kerkermeister hielt die beiden Gefangenen für besonders schlimme Verbrecher, darum spannte er sie in den Stock. Der „Stock“ war ein Balken mit zwei runden Öffnungen für die Füße; darüber wurde ein zweiter Balken gelegt mit Öffnungen für die Hände. In dieses schreckliche Marterwerkzeug werden die beiden Gefangenen festgeschraubt. Anstatt ihre zerschlagene Glieder ausruhen zu lassen, mussten sie die Nacht in dieser Stellung zubringen, wo ihnen die ausgerenkten Glieder steif und starr wurden, wo ihnen das Blut in den Armen und Beinen stockte und große Schmerzen verursachte. Und morgen früh? Vielleicht der Tod durch Henkerhand, wer kann’s wissen?

Eine schreckliche Lage! Und was taten sie? „Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten Gott. Und es hörten sie die Gefangenen“ (Apg. 16:25). Wunderbar! Sie lobten Gott? Ja, das taten sie. Und nicht so leise und still vor sich hin, sondern mit lauter Stimme sangen sie die Loblieder, so dass die anderen Gefangenen aufgeweckt wurden. Nun, hat es Paulus bewiesen, dass er allezeit fröhlich war?

Aber vielleicht geht es in Schmerzen des Leibes noch leichter, fröhlich zu sein, als in Nöten der Seele. Wenn man tief gekränkt wird, wenn man uns sehr weh tut, dann kann man doch nicht fröhlich sein. Bitte ließ einmal Philipper 1. In Gemeinden, die Paulus durch sein geistesmächtiges Zeugnis gegründet hatte, waren Leute gekommen, welche die Gläubigen ihrem geistlichen Vater entfremden wollten. Sie wollten eine Trübsal seinen Banden zuwenden. Kann es wohl für einen alten Knecht Gottes etwas schmerzlicheres geben als dies, dass seine Kinder, die er gezeugt hat durch das Wort der Wahrheit, ihm abspenstig gemacht werden; dass ihm das Vertrauen derer geraubt wurde, denen er ein Führer zu Christus sein durfte? Und was sagte Paulus dazu? – „Was tut’s aber? Das nur Christus verkündigt werde allerleiweise, es geschehe zum Vorwand oder in Wahrheit, so freue ich mich doch darin und will mich freuen“ (Phil. 1:18)!

Ja, der Apostel hatte es bewiesen und bewährt, dass man fröhlich sein kann in allen Lagen des Lebens, auch in den dunkelsten und schwersten Stunden. Darum fordert er uns auf: „Freuet euch in dem Herrn allewege! Und abermals sage ich euch: Freuet euch!“  (Phil. 4:4). Allewege! Allezeit! Das war die Meinung des Apostels Paulus. Nun, wenn man auf allen Wegen und zu allen Zeiten sich freut, was wird dann das Leben? Das Leben – ein Fest!

Das sind keine Redensarten mehr, sondern es kommt aus dem tiefsten Herzen heraus, wenn man singt: „Immer fröhlich, alle Tage Sonnenschein“. Das hat schon der Psalmist gewusst, als er sang: „Wohl denen, die in deinem Hause wohnen; die loben dich immerdar“ (Ps. 84:5). Ich hatte einst von einem alten Streiter Jesu Christi einen Vers gelernt, den er als Wahrheit bezeichnete. Ich habe den Vers erprobt, er ist ganz voll Wahrheit. Darum benutze ich auch die Gelegenheit, um diesen Vers anderen Seelen mitzuteilen, damit auch sie dadurch gesegnet werden:

„Halleluja, wenn die Freunde loben;

Halleluja, wenn die Feinde toben;

Halleluja, wenn die Sonne lacht;

Halleluja, in Gewitternacht.

Halleluja, wenn in Not ich stehe;

Halleluja, wenn ich Hilfe sehe;

Halleluja, wie es Gott auch wende;

Halleluja stets und ohne Ende!“

Wenn du gelobt und geliebt wirst, dann sage „Halleluja“ und danke dem Herrn. Und wenn du getadelt und gescholten, beleidigt und verleumdet wirst, dann sage auch „Halleluja“ und danke auch dafür dem Herrn. „Wohl denen, die in deinem Hause wohnen; die loben dich immerdar!“ O du darfst es glauben, dass es keine Einbildung und keine Schwärmerei ist; es ist der gottgewollte Zustand eines Kindes Gottes und eines Christenlebens. Das Leben – ein Fest.

Möchte es auch in deinem Haus widerhallen von dem Lobpreis des Herrn und es in Wahrheit heißen: „Man singt mit Freuden vom Sieg in den Hütten der Gerechten...“ (Ps. 118:15), „Seid allezeit fröhlich!“, „Freuet euch in dem Herrn allewege!“, „Du salbest mein Haupt mit Öl“.