Über Stolz

Einmal hielt Satan wieder eine Ratsversammlung ab, wie er Seelen fangen könnte. Er hatte einen alten, hässlichen Teufel ausgesandt, um den Versuch zu machen, die Heiligen des Herrn zu Fall zu bringen. Aber sie schreckten vor ihm zurück und er hatte keinen Erfolg.

„Ich sehe jetzt“, sagte Beelzebul, „dass wir einen plausibleren Plan anwenden müssen. Diese Heiligen werden keine Pferde stehlen oder Leute berauben oder zu Tanzveranstaltungen und in Schankwirtschaften gehen. Solche offenbaren Versuchungen machen keinen Eindruck auf sie. Wir müssen unsere Versuchungen verlockender und reizvoller darstellen. Unsere Schlingen müssen besser verborgen und verkleidet werden und müssen als etwas Gutes und Wünschenswertes erscheinen.“

In diesem Augenblick stand ein Teufel auf, um zu reden. Er war ein schnittig aussehender und modern gekleideter Geselle. Sein Gesicht ließ den Schmeichler erkennen und ein verschmitztes Lächeln spielte um seinen Mund. Aber in seinen Augen machte sich ein böser Blick bemerkbar, der denen, die ihn aufmerksam beobachteten, seinen wirklichen Charakter verriet. Er redete also:

„Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, das menschliche Herz zu erforschen. Ich finde, dass die meisten Leute, besonders der weibliche Teil der menschlichen Familie, es gern haben, wenn viel von ihnen gedacht und lobend über sie gesprochen wird. Indem ich auf dieses angeborene Verlangen einwirke, habe ich es zustande gebracht, viele von ihnen zu überreden, dass die beste Weise, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken darin besteht, ihre Person zu schmücken. Ich habe dazu beigetragen, dass viele Schönheitsmittel und mancherlei Zierrat gemacht werden. Und wenn die Leute des einen müde werden, dann erfinde ich etwas anderes. Ich habe Fingerringe und Ohrringe für die Leute er­dacht und in einigen Gegenden habe ich sie veranlasst, Ringe in ihrer Nase zu tragen. Ich habe sie überzeugt, dass diese Dinge schön aussehen. Dann habe ich auch eine reiche Auswahl von Armspangen, Broschen, Vorstecknadeln, Ketten und Schmucksachen verschiedener Art. Außerdem habe ich noch Schminke, Farbe usw.“

„Wenn es auf die Kleidung ankommt, so bin ich in meinem wahren Element. Ich bin in dieser Hinsicht besonders erfolgreich. Die Leute wetteifern miteinander, sich in den Dingen zu übertreffen, die ich vorschlage. Vor nicht langer Zeit veranlasste ich die Frauen, sich mit schweren Faltenkleidern zu beladen. Vor diesem jedoch erfand ich die Krinoline, um den Rock wie eine Art Schirm aufzuspannen. Dann ließ ich die Kleider so lang machen, dass sie die Straße fegten und soviel Schmutz und Krankheitskeime wie möglich sammelten. Aber jetzt bin ich zu einem einfachen Stil übergegangen. Meine neuste Mode ist, dass sie nur soviel Kleidung tragen, um ihre Blöße zu bedecken; und sie ist unten, oben und auch an den Seiten kurz geschnitten.“

„Was hat all das damit zu tun, das Volk Immanuels gefangen zu nehmen?“, fragte Satan. „Meine Absicht ist, dass ich einige oder alle überwinde. Es schmerzt mich, wenn ich sehe, wie sie sich so einfach kleiden.“

„Ich werde bald zu diesem Punkt kommen, Herr Beelzebul. Ich habe folgenden Plan“. Und indem der Teufel sich nach allen Seiten drehte, fuhr er fort: „Ich kann kaum diese Heiligen Immanuels dahin bringen, dass sie diesen Stil annehmen. Aber ich will sie überreden, dass sie allmählich meinen Weg einschlagen, indem ich ihnen sage, dass es von keinem Nutzen ist, sich so einfach zu kleiden. Ich will ihnen zeigen, wie sie sich nützlicher machen können, wenn sie der Welt ein wenig näher sind. Ich will es bewirken, dass sie sich mit sich selber beschäftigen. Und wenn es möglich ist, will ich sie veranlassen, der Welt so nahe wie möglich zu kommen. In einer Sache von solch großer Wichtigkeit will ich den Herrn Teufel Betrug um Hilfe bitten. Wenn er sein Gewissens-Brenneisen glühend machen und die Brille, die der Teufel Plausibel machte, zu Hilfe nehmen will, so glaube ich, dass ich erfolgreich sein werde.“

„Gehet hin!“, jubilierte Beelzebul. „Teufel Betrug, komm her!“, befahl er. Dann kam ein Teufel daher, welcher seine Farbe wie ein Chamäleon wechselte. Sein Gewand bestand aus allen Schattierungen, Farben und Mustern, und sein ganzes Benehmen und Wesen war ebenso rätselhaft wie seine Kleidung. „Mache dein Gewissens-Brenneisen bereit, dem Teufel Stolz zu helfen, etliche von den Heiligen des Herrn zu fangen! Nimm die Brille des Teufels Plausibel und setze sie einem Heiligen auf; dadurch wird ihm alles anders erscheinen. Die Welt wird ihm lange nicht mehr so weltlich erscheinen; die neuesten Moden werden ihm ganz vernünftig und respektabel vorkommen und Gottes Pilgrime werden ihm wie altmodische Gesellen erscheinen. Dann, während sie durch die Brille schauen, wende dein Gewissens-Brenneisen an. Das Übrige wird ganz leicht sein.“

„Lasst mich einen Rat in dieser Sache erteilen, Herr Beelzebul!“, sagte ein Teufel mit scharfgeschnittenen Gesichtszügen, der gerade daherkam und dessen Name Jugendverderber war.

„Du? Ich dachte, du wärest heute damit beschäftigt, die Kinder jener Heiligen, welche auf ihre Kleinen nicht acht geben, in schlechte Gewohnheiten und Laster zu führen. Du weißt, dass sie heute ihre Kinder zu einem von unseren Leuten gehen lassen. Du solltest dort gewesen sein und sie veranlasst haben, Äpfel aus dem in der Nähe liegenden Obstgarten zu stehlen oder sie in ein Laster oder in etwas hineingeführt haben, was sie verderben wird.“

„Es ist wahr, Herr und Meister; ich bin gerade zurückgekehrt und bin auch erfolgreich gewesen. Ich habe sie veranlasst, Äpfel zu stehlen, Vogelnester zu zerstören und die Kälber fast zu Tode zu hetzen. Und das Beste von allem war, dass ich einen Knaben in das geheime Laster führte, das ihn bald zu uns befördern wird.“ Auf diese Rede folgte Hurrarufe, Händeklatschen, Grimassen, teuflisches Lachen und allerlei Gebärden um Beelzebuls Thron herum. Die Teufel schlugen sich an die Seiten und tanzten in der fanatischsten und wunderlichsten Weise umher.

„Rede nun!“, sagte Beelzebul.

„Nun, ich glaube, dass der Teufel Stolz erfolgreicher sein kann, wenn er den Teufel Vernachlässigung zu Hilfe nimmt, um die „Mütter in Israel“ zu veranlassen, ihre Kinder zu vernachlässigen. Und ich werde das Gemüt der Kinder mit Gedanken anfüllen, wie schön sie aussehen würden, wenn sie nur der Mode folgten. Außerdem kann ich auch ihre Töchter dahin bringen, dass sie viele weltliche Sachen tragen, die ihren Müttern unbekannt sind. Und wenn sie sich erst die Gewohnheit angeeignet haben, so wird es schwer sein, sie zu brechen. Ich werde dem Teufel Stolz in dieser Sache behilflich sein.“

„Gut!“, sagte Beelzebul; „ich wünsche dir den wärmsten Platz in meinem Herzen.“

„Ja, wirklich, das ist ein guter Plan!“, sagte der Teufel Stolz, „Ich werde einen Versuch mit Jung und Alt machen. Es gibt eine Schwester, die ich, wie ich glaube, überreden kann, der Mode zu folgen. Ich hoffe, dass ich viele veranlassen kann, auf sie als ein Vorbild zu schauen. Und sie werden denken, dass das, was sie tut, vollkommen recht ist. Dann werde ich auch darauf zielen, die Prediger Immanuels zu veranlassen, damit aufzuhören, gegen Stolz und Hochmut zu predigen, die biblische Lehre über diesen Punkt ganz auszulassen und das, was geschrieben steht, nicht zu befolgen. Auf diese Weise können wir allmählich mit der Hilfe des Gewissens-Brenneisens, das dem Teufel Betrug gehört, das Lager Immanuels schwächen, bis wir es ganz einnehmen können.“

Diese Teufel gingen hin, und ich sah, wie sie sich an einen Heiligen Immanuels heranmachten. Sie waren in ihre besten Gewänder gekleidet. Der Teufel Stolz hatte einen Teil seiner Ausstattung weggelassen und der Teufel Betrug nahm die feierlichste Miene an. Sie argumentierten und redeten, aber der Heilige, der die Quelle dieser Werkzeuge Satans erkennen konnte, bot ihnen einen solchen Widerstand, gab ihnen eine solche Rüge und hieb so tüchtig mit dem Schwert auf sie ein, dass sie verwirrt davonstoben.