Nicht zu erbittern

„Die Liebe lässt sich nicht erbittern“ (1.Kor. 13:5)

Was haben sich die Pharisäer und Saduzäer Mühe gemacht, den Herrn einmal, wie man sagt, in Harnisch zu bringen. Es ist ihnen nicht gelungen, denn die Liebe lässt sich nicht erbittern. Wer in der Nachfolge Jesu steht, dem fehlt es nicht an Feinden. Das ist ja etwas, was uns der Herr vorher gesagt hat: „So euch die Welt hasst, so wisset, dass sie mich vor euch gehasst hat... Der Knecht ist nicht größer denn sein Herr“ (Joh. 15:18-20).

Wie ging es dir nun, wenn du beleidigt, gekränkt, verleumdet und verfolgt wurdest? Wurdest du erregt, ungehalten, böse? Hast du mit scharfen Worten dich verteidigt, dich bitter beklagt über die ungerechte Handlungsweise? Dann lass mich dir sagen: Die Liebe lässt sich nicht erbittern. Ach, denke doch einmal: Die armen Feinde, wenn sie dich wirklich um Jesu willen, um deines Glaubens willen verfolgen, wie traurig ist es doch. Wie schwer wird einmal ihre Verantwortung sein. Gott hat ja gesagt: „Wer euch antastet, der tastet seinen [Gottes] Augapfel an“ (Sach. 2:12). Zu den Seinen aber sagt er: „Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan“ (Mt. 25:40). Ach, wenn du daran denkst, kannst du dann noch deinen Feinden böse sein? Nicht wahr, dann geht ein tiefes Mitleid durch dein Herz? Die armen, armen Menschen. Und wenn du solches Mitleid mit ihnen hast, was kannst du dann tun? Dann kannst du von Herzen für sie beten. Wenn du für sie beten kannst, dann kannst du sie auch lieben. Du kannst nicht anders, du musst sie lieben. Die Liebe lässt sich nicht erbittern.

Aber es handelt sich nicht nur um Feinde, die uns um Jesu willen bekämpfen und verfolgen. Es handelt sich auch um die kleinen Dinge des alltäglichen Lebens. Und die sind oft schwerer zu ertragen, als die Verfolgung, die uns um unseres Glaubens willen widerfährt. Durch diese kleinen Dinge versucht es der Feind besonders gern, uns zu erbittern. Ich nehme an, du hast deiner Frau gestern Abend gesagt, dass dir der Knopf abgerissen ist. Aber sie hat es vergessen. Er ist nicht angenäht. Mehr ist schon nicht nötig, um dir die Laune zu verderben. „Ich habe es doch dir gesagt. Warum passt du denn nicht besser auf?“ Dass deine Frau so müde war nach all dem Kinderlärm, der sie umgab, daran denkst du nicht. „Es ist doch nicht zu viel verlangt, wenn ich erwarte, dass du meine Kleider in Ordnung bringst.“ Oh, wie scharf, wie spitz sind deine Worte! Wie tun sie deiner Frau so weh. Siehst du, wie sie heimlich über die Augen fährt? Die Liebe lässt sich nicht erbittern. Die Liebe sieht solche Proben als Gelegenheiten an, sich recht liebend zu erweisen.

Der alte Pastor Jellingshaus fragte einmal in einem Bibelkursus, wozu im Kriege Schanzen da seien? Und da gab er die klassische Antwort: „Schanzen sind dazu da, um mit Hurra gestürmt zu werden.“ Und dann fragte er weiter: „Wozu sind die Schwierigkeiten im Leben da? Um mit Halleluja überwunden zu werden.“ Denn siehe, solche Tage, wo alles quer geht, sollen Herrlichkeitstage werden, da will der Herr seine Herrlichkeit offenbaren. Der Apostel Jakobus schreibt in seinem Brief ein wunderbares Wort: „Meine lieben Brüder, achtet es für eitel Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen fallet“ (Jak. 1:2). Das griechische Wort, das Luther mit „mancherlei“ übersetzt hat, heißt eigentlich „bunt“. Wir sollen es für Freude achten, für nichts als Freude, wenn wir in bunte Anfechtungen geraten.

Weißt du, was bunte Anfechtungen sind? Das sind Anfechtungen, die alle auf einmal kommen, die wie ein Bienenschwarm dich umsummen. Es gibt solche Tage, nicht wahr, wo es so recht dick kommt, wo es drunter und drüber geht? Und was soll ein Kind Gottes dann tun? Dann soll es sich freuen. Wenn das ein Knecht Gottes heutzutage geschrieben hätte, wie würde der wohl als Schwärmer und Irrlehrer bezeichnet werden. Aber nun steht das Wort in der Bibel, und wir müssen uns damit abfinden, weil es in der Bibel steht. Darum darf ich dich wohl fragen: „Hältst du es für eitel Freude, wenn du in die buntesten Anfechtungen geratest?“

Du kannst die Frage damit nicht von der Hand weisen, dass du sagst: „Wer tut das denn?“ Denn dann halte ich dir den Apostel Paulus vor. Mit seinem Freund Silas zusammen wird er in das Gefängnis zu Philippi geliefert, nach dem man sie wohl gestäubt hatte. Und was tun die beiden – die Füße im Block, den Tod durch des Henkers Hand vor Augen? Sie loben Gott. Willst du einmal den Philipperbrief durchlesen? Den hat Paulus geschrieben, als er auf seinen Märtyrertod wartete. Er dachte nicht mehr daran, mit zu den Lebendigen zu gehören. Er hat sich jetzt auf den Tod gefasst gemacht: „Christus ist mein Leben, Sterben ist mein Gewinn“ (Phil. 1:21). Da bekam er eine Nachricht, die wohl geeignet war, ihn zu erbittern. Er hörte, dass falsche Brüder in die Gemeinde eingedrungen waren und die Gemüter verwirrten. Sie wollen eine Trübsal zuwenden seinen Banden (V. 16). Sie predigten Christus aus Neid und Hader. Und was schreibt der Apostel auf diese Nachricht? „Was tut’s aber? Dass nur Christus verkündigt werde allerleiweise, es geschehe zum Vorwand oder in Wahrheit, so freue ich mich doch darin und will mich auch freuen.“ (V. 18). Ja, die Liebe lässt sich nicht erbittern. Man kann ihr wehe tun, man kann ihr tiefen Schmerz zufügen, es bleibt doch dabei: Die Liebe lässt sich nicht erbittern. Und du?