Meine Taube

Hohel. 2:14

Mit holden Namen rufst du, Herr, die Deinen,

Die Glieder deiner Braut, der einen, reinen;

Du willst, dass sie in deiner Liebe ruhn.

Ein Name ist mir tief ins Herz gefallen,

In Lob und Bitte soll er wiederhallen:

Du nennst sie freundlich „deine Taube“ nun.

 

Ja, deine Taube! Auf den düstern Wogen

Bin lange irrend ich umhergeflogen

Und meine Seele nirgends Frieden fand.

Du strecktest deine Arme mir entgegen,

Ich kam getrost, mich still hineinzulegen,

Und ruhe nun in meines Noah Hand.

 

Die Feinde standen mir nach meiner Seele,

Da fand ich eine tiefe Felsenhöhle,

Verbarg mich vor dem feindlichen Geschoss.

Oh, wer so schwach als deine arme Taube?

Doch wer so stark, wenn ich in Demut glaube:

Kein Sturm kann niederwehn mein festes Schloss!

 

Da lass mich ruhn, mein Herr, und lass auf Erden

Zu deinem Preis je mehr und mehr mich werden

Wie eine Taube, ohne Falsch und rein.

Lass keusch und treu mich stets auf dich nur blicken

Und ohne Unterlass mein Herze schicken

Bis in das ob`re Heiligtum hinein.

 

Recht still inmitten einer lauten Menge,

Recht sanft auch in des Lebens heiß Gedränge,

Voll Demut, voller Liebe, fest und mild:

So mache mich. Ich lieg in deinen Händen,

Du wollst das angefangne Werk vollenden

Und mich verklären in dein Ebenbild.

 

Dein Ebenbild! Es strahlt in hellem Lichte

Der Geist des Herrn aus deinem Angesichte

Und ruht, der Taube gleich, auf deinem Haupt.

Und diese höchste aller Gnadengaben,

Ein jedes deiner Kinder kann sie haben,

Wenn es nur leer und dürstend kommt und glaubt.

 

Mein Herr, wie kann ich dieses Wunder fassen,

Dass du mit mir so nah dich eingelassen!

Du Himmelstaube, wohne, bleib in mir;

Komm mehr und mehr, mein Sehnen ganz zu stillen.

Ist das Gefäß auch klein, du wollst es füllen

Und heiligen auf ewig dir, nur dir!

 

Ja, du in mir! Das wird den Freund erquicken,

Sein Aug wird in dem armen Kind erblicken

Dann eine Taube, die ihm wohlgefällt.

O möcht dein Lebenshauch mich so durchwehen,

Dass nichts in mir, als nur dein Bild zu sehen,

Mein König, Sieger über Sünd und Welt.

 

Wenn dann am Abend mild die Sterne blinken,

Wenn müd das Täublein lässt die Flügel sinken,

Wie wohl wird’s ruhn an deinem starken Herz!

Dann schenkst du deiner Taube neue Flügel,

Und jubelnd hebt sie über Tal und Hügel

Den starken Flug behende sonnenwärts.