Beerdigungen im Dorf

Wie ich bereits berichtete, mussten wir in unserem Dorf viele Jahre hindurch Menschen beerdigen. Auch solche, die nicht zur Versammlung kamen. Es gab Fälle, wo Deutsche Mitglieder der kommunistischen Partei waren. Und als sie dann starben, baten ihre Angehörigen uns, sie zu beerdigen. Gewöhnlich rechtfertigten sie das, indem sie sagten: „Auch wenn er sich gegen Gott ausgesprochen hat und ihm nicht diente, im Herzen hat er doch geglaubt.“ Wie es auch immer war, wir versuchten unser Bestes zu tun. Man musste sich auf der Arbeit bei den Vorgesetzten melden, wenn man zu einer Beerdigung wollte. Nach Möglichkeit wurde man dann von der Arbeit freigestellt. Unsere leitenden Brüder mussten sich besonders oft von der Arbeit freistellen lassen.

Die Toten wurden bis zu drei Tagen lang im Haus aufgebahrt. Im Sommer war dies nicht so einfach. Der Trauergottesdienst wurde ebenfalls im Haus des Verstorbenen abgehalten. Dann wurde der Sarg geschlossen und mit einem Pferdegespann (später mit einem Kraftfahrzeug) über 1,5 km zum Friedhof gefahren. Die Trauergemeinde folgte dem Sarg zu Fuß, und der Verstorbene wurde auf diesem Weg mit Gesang begleitet. Am Grab wurde wiederum ein Lied gesungen, dann folgte eine kurze Ansprache und es wurde gebetet. Nachdem wurden so lange Lieder gesungen, bis die Gruft mit Erde gefüllt wurde.

Ich erzähle von den Beerdigungen ausführlicher, weil dieser Dienst an den Menschen sehr dazu beigetragen hat, dass die Leute im Dorf uns, die Gläubigen der Gemeinde Gottes, duldeten. Sie waren in dieser Sache sehr auf unsere Hilfe angewiesen. Gott hat es auch so geführt, dass sich außer dem Kreis der lutherischen Christen keine weitere Glaubensgemeinschaft an unserem Ort gebildet hat. Sie waren uns auch sehr wohl gesonnen.

Beerdigungen gaben uns Anlass, in den Trauerhäusern noch ein bis zwei Versammlungen zu halten. Viele, die sich nie mit dem Wort Gottes beschäftigt hatten, mussten nun die Botschaft von der Erlösung hören. Diese Arbeit brachte, wenn auch nicht immer sofort, gute Früchte.

Bei den Beerdigungen durfte uns niemand stören, hier waren wir frei. Diese Gelegenheiten haben wir sehr genutzt. Zudem sind die Menschen in ihrer Trauer leichter auf Gott und die Pflichten, die wir vor ihm haben, ansprechbar. Wir sind Gott von Herzen dankbar, dass wir solche Gelegenheiten hatten, sein Wort zu verkündigen.