Die biblische Lehre von der Sünde und dem Teufel

Es ist gar nicht meine Absicht, hier eine eingehende Lehre von der Sünde und dem Teufel zu geben. Ich will von beiden die Schrift nur insoweit reden lassen, als es nötig ist zum Verständnis der Waffenrüstung Gottes, ohne die ein Christ unmöglich standhalten kann gegen­über der Sünde und dem Teufel. Das ganze Sechstagewerk unseres Schöpfers war „sehr gut“ (1Mo 1,31); auch der Mensch war gut. Aber vor dem Sechstagewerk fand in der Engelwelt unter der Führung des Teufels ein Abfall von Gott statt. Und dieser gefallene Engelfürst brachte in der Gestalt einer Schlange Eva, die Gehilfin des ersten Menschen, zum Ungehorsam gegen Gott. Und nachdem sie gefallen war, verführte sie auch ihren Mann. Der so gefallene Mensch fiel dem Tod anheim, weil durch die Sünde die Trennung von dem lebendigen Gott und dadurch der Tod in des Menschen Natur kam. Durch des ersten Menschen Ungehorsam gegen Gott ist Sünde und Tod auf alle Adamskinder gekommen. Unser ganzes Geschlecht ist ein Sünden- und Todesgeschlecht (Röm 5,12–19).

Man nimmt an, dass die Sintflut 1656 Jahre nach der Erschaffung des Menschen stattfand. Schon damals war das Menschengeschlecht so verdorben, dass Gott es vertilgen musste. Nur eine Familie, die Familie Noahs blieb am Leben. Das in der Sintflut untergegangene Geschlecht war nach Gottes Urteil in 1Mo 6,3 „Fleisch“ geworden und darum reif für den Untergang. So sehen wir schon in der frühen Menschheitsgeschichte, dass wir unter der Sünde der Menschen nicht nur einzelne Tatsünden zu verstehen haben, sondern dass der Mensch von Adam an ein sündiges Erbe, eine sündige Natur hatte. Das bestätigt auch der Heiland in seinen Worten: „Was aus dem Fleisch geboren ist, das ist Fleisch“ (Joh 3,6). Und der Apostel Paulus spricht in Röm 7,18–20 dasselbe aus: „Denn ich weiß, dass in mir, das heißt in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt; das Wollen ist zwar bei mir vorhanden, aber das Vollbringen des Guten gelingt mir nicht. Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will, das verübe ich. Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, so vollbringe nicht mehr ich es, sondern die Sünde, die in mir wohnt.“

Die Sünde, die in uns wohnt, ist die Macht, welche den unwiedergeborenen Menschen regiert. Der Mensch ist der Sünde Knecht, wie auch Christus sagt: „Jeder, der die Sünde tut, ist ein Knecht der Sünde“ (Joh 8,34). Das spricht Paulus in Röm 7,14 ebenfalls aus, wenn er sagt: „… ich aber bin fleischlich, unter die Sünde verkauft“. So lautet das Urteil Gottes in seinem Wort. Und die Erfahrungen des unwiedergeborenen Menschen stimmen damit überein. Unsere Natur ist durch die Sünde vergiftet, und dieses Gift wirkt die böse Tat. Die ganze Menschheitsgeschichte, soweit der Mensch ohne Gott in Betracht kommt, ist eine Sünden- und Todesgeschichte und widerlegt die Möglichkeit von des Menschen Selbsterlösung.

Der dunkle Hintergrund der Geschichte der Sünde unter den Menschen ist die Tatsache, dass der Teufel sie einführte durch Verführung der ersten Menschen zum Ungehorsam gegen Gott. So wenig wir einen Fluss von seiner Quelle trennen können, so wenig können wir die Sünde der Menschen von dem Teufel loslösen. Halten wir diese Tatsache fest, so müssen wir die göttliche Offenbarungsgeschichte im Alten Testament bewundern. Die göttliche Weisheit hat es verhindert, dass im Alten Testament sehr viel vom Satan die Rede ist. Ausdrücklich erwähnt finden wir ihn nur in Hiob 1, in 1Chr 21,1 bei Davids Volkszählung und in Sach 3,1–2 als Verkläger des Hohepriesters Josua. Im Neuen Testament wird Satan dagegen oft erwähnt. Die göttliche Weisheit ließ wohl deswegen den Satan auf der Offenbarungsstufe des Alten Testaments so stark zurücktreten, um das zum Götzendienst neigende Volk Israel vor dem Teufelsdienst zu bewahren. Im Neuen Testament verschwand diese Gefahr, weil bei der ersten Erwähnung Satans in der Versuchungsgeschichte Jesu er sofort als der Überwinder des Teufels erscheint. Satan ist ein Lügner von Anfang, dessen Werk der zweite Adam, unser Herr Jesus Christus, zerstört hat.

So erscheinen der Satan und sein Reich im Neuen Testament sehr oft. Der Heiland und seine Jünger hatten viel mit Besessenen zu tun. Er gibt seinen Jüngern Macht über Dämonen (Lk 10,17). Er redet in Lk 13,16 von einer kranken Frau, die Satan achtzehn Jahre lang gebunden hatte, und heilt sie. Als die siebzig Jünger zurückkamen und dem Heiland berichteten, dass auch die Dämonen ihnen in seinem Namen untertan seien, sagte er: „Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen“ (Lk 10,17–18). Damit deutet er an, dass Satan und das Wirken der Dämonen miteinander zusammenhängen.

Er nennt den Satan in Joh 12,31; 14,30 und 16,11 dreimal den Fürsten der Welt. In Lk 22,3 lesen wir, dass Satan in den Judas gefahren war, ehe er den Heiland verriet. Der Apostel Paulus redet in Eph 2,2 von ihm als von einem Fürsten, der in der Luft herrscht und jetzt in den Kindern des Ungehorsams wirkt. Noch deutlicher redet er von ihm in Eph 6,11–12. Der Apostel ermahnt die Epheser: „Zieht die ganze Waffenrüstung Gottes an, damit ihr standhalten könnt gegenüber den listigen Kunstgriffen des Teufels; denn unser Kampf richtet sich nicht gegen Fleisch und Blut, sondern gegen die Herrschaften, gegen die Gewalten, gegen die Weltbeherrscher der Finsternis dieser Weltzeit, gegen die geistlichen [Mächte] der Bosheit in den himmlischen [Regionen].“ Diese Worte fassen zusammen, was das ganze Neue Testament einstimmig lehrt: Es gibt ein wohl organisiertes, mächtiges Reich der Finsternis mit Satan, als dem Fürsten dieser Welt an der Spitze. Dieses Reich steht in unablässigem Kampf gegen Gott und wirkt in boshafter, verderbenbringender Weise auf die Menschen und in den Menschen.

Als Jesus in Bethlehem geboren war, wollte Satan, der Mörder von Anfang, ihn durch den allgemeinen Kindermord in Bethlehem sofort ermorden. Es gelang ihm nicht; des Vaters Auge wachte über dem Jesuskind. Unmittelbar vor seinem öffentlichen Auftreten führte der Heilige Geist Jesus in die Wüste, wo ihn der Teufel vierzig Tage und vierzig Nächte versuchte. Seine Absicht war, den zweiten Adam zum Ungehorsam gegen Gott zu verleiten. Es gelang ihm nicht: Jesus widerstand ihm und blieb Sieger. Durch seinen Gehorsam bis in den Tod, durch sein Opfer für die Sünden der Welt, durch seine siegreiche Auferstehung hat er den Satan überwunden. „Als er so die Herrschaften und Gewalten entwaffnet hatte, stellte er sie öffentlich an den Pranger und triumphierte über sie an demselben“ (Kol 2,15). Er hat durch seinen Kreuzestod dem die Macht genommen, der des Todes Gewalt hatte, das ist dem Teufel (Hebr 2,14).

So wurde Jesu Wort in Joh 12,31 buchstäblich erfüllt: „Jetzt ergeht ein Gericht über diese Welt. Nun wird der Fürst dieser Welt hinausgeworfen werden.“ Jesus ist für uns in das Gericht gegangen. Er hat unseren Fluch getragen und dadurch dem Verkläger das Recht und die Macht über uns genommen. Seit Jesus als Haupt seiner Erlösten und als unser Hohepriester auf dem Thron der Herrlichkeit sitzt, ist unser Verkläger, der uns Tag und Nacht vor Gott verklagte, verworfen (Offb 12,10). Der Fürst der Welt ist entthront, aber er und seine Heere sind noch nicht unschädlich gemacht. Sie wüten noch gegen den Herrn und seinen Gesalbten und seine ganze Reichssache, bis sie endlich für immer besiegt sind.

Die große Veränderung, die durch Jesu Erlösungswerk zustande kam, besteht darin, dass der erlöste Mensch auf Grund von Jesu Sieg durch den Glauben an Jesus Christus, den gekreuzigten, auferstandenen und zur Herrlichkeit erhöhten Herrn, die Macht des Teufels überwinden und in Jesu Namen Sieger werden und bleiben kann. Außer der Glaubensgemeinschaft mit Jesus sind wir verloren und ein Spott Satans. Im Glauben an den Herrn und an die Macht seiner Stärke behalten wir das Feld und triumphieren.

Luther hat das so vortrefflich ausgesprochen in seinem Lied „Ein‘ feste Burg ist unser Gott“:

„Der alt’ böse Feind,

Mit Ernst er’s jetzt meint,

Groß’ Macht und viel List

Sein’ grausam’ Rüstung ist,

Auf Erd’ ist nicht seingleichen.

 

Mit unsrer Macht is nichts getan,

Wir sind gar bald verloren;

Es steit’t für uns der rechte Mann,

Den Gott hat selbst erkoren.

Fragst du, wer der ist?

Er heißt Jesu Christ,

Der Herr Zebaoth,

Und ist kein andrer Gott,

Das Feld muss er behalten

 

Der Fürst dieser Welt,

Wie sau’r er sich stellt,

Tut er uns doch nicht,

Das macht, er ist gericht’t,

Ein Wörtlein kann ihn fällen.“

Ja, tausendmal Gott Lob! Jesus ist Sieger und wir werden und bleiben Sieger durch den Glauben an ihn. Wenn viele Moderne sich immer wieder mit Luthers Namen schmücken wollen, so tun sie ihm bitter unrecht. Luther kannte keine Selbsterlösung, keinen Sieg in eigner Kraft. Er hat seine Schlachten geschlagen und seine Siege erfochten allem im Glauben an unseren gekreuzigten, auferstandenen und erhöhten Herrn Christus. Ihm gab er alle Ehre.

Es ist und bleibt ein Geheimnis, dass Gott dem Teufel und seinem finstern Heer so lange Macht lässt, zu streiten wider ihn und seine Sache, und dass auch Kinder Gottes immer noch mit ihm zu kämpfen haben. Denn nicht an die Kinder der Welt ist Eph 6,16–20 gerichtet, sondern an die Auserwählten, an die Erretteten, an Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes (Eph 1,4; 2,8.19). Sie, und sie allein können die ganze Waffenrüstung Gottes anziehen. Der Unglaube kann und will diese Waffenrüstung nicht anziehen. Nur die, welche mit ihrem eigenen Können und eigener Kraft bankrott wurden, die zu Christus geflohen sind und durch ihn Errettung gefunden haben, mit einem Wort: Die, welche von Herzen an Christus gläubig geworden sind, vermögen die Waffenrüstung Gottes anzuziehen. Denn dieses Anziehen schließt alles Selbstvertrauen völlig aus. Es ist der stärkste Protest gegen die Selbsterlösungstheorie unserer Modernen.

Es ist sehr beherzigenswert, dass der Apostel bei der zweiten Aufforderung, die ganze Waffenrüstung Gottes anzuziehen, hinzufügt: „ damit ihr am bösen Tag widerstehen und, nachdem ihr alles wohl ausgerichtet habt, euch behaupten könnt “ (V. 13). Es gibt zwei Arten von bösen Tagen. Erstens, selbstverschuldete und zweitens, von Gott verordnete, die zu unserer Bewährung und Erziehung dienen sollen. Die schlimmsten sind die selbstverschuldeten. Wenn wir nicht wachen und beten, so gewinnt der Feind Einfluss, befleckt, verwundet und betrügt uns. Ein solch böser Tag kann vor Menschenaugen verborgen sein. Es kann ein innerer Vorgang sein. Wird er nicht durch Christi Blut, Buße und Glauben geordnet, so folgen noch schlimmere böse Tage darauf, an denen Gott uns auch äußerlich zuschanden werden lässt, um uns zu demütigen und zu heilen. Unser Gott ist heilig und darum müssen wir mit jeder Niederlage zu Jesu Kreuz kommen, damit wir Vergebung und Reinigung erlangen. Nur dann können wir bewahrt werden.

Die bösen Tage, die der Herr über uns zur Bewährung unseres Glaubens und zu unserer Erziehung kommen lässt, sollen uns zum Segen werden. Dieses wird der Fall sein, wenn wir in keiner Weise auf den Feind eingehen, sondern unsere Stellung in Christus behaupten und im Glauben dem Teufel widerstehen. Die Versuchungstage des Herrn in der Wüste waren böse Tage. Aber er widerstand dem Teufel und siegte, und die Engel kamen und dienten ihm. So soll es bei uns sein, und so wird es sein, wenn wir in der Waffenrüstung Gottes erfunden werden.