Der zeitliche Verlauf des Sprachenredens

Wir haben in den untersuchten Schriftstellen herausgefunden, dass das Sprachenreden hauptsächlich ein Zeichen für die Juden war. In Jesaja 28, in der Apostelgeschichte und auch in 1. Kor. 14; 21–22 geschieht dieses Zeichen im Zusammenhang mit Juden. Es war gerichtet an ungläubige Juden, die entweder nicht an das Evangelium glaubten oder an gläubige Juden, die in einem für Gott wichtigen Punkt ungläubig waren: Sie glauben nicht, dass das Evangelium für alle Sprachen und Menschen gleichermaßen gedacht ist.

In Markus 16 wird der Bezug zu den ungläubigen Juden nicht hergestellt, wenngleich die Erfüllung von Markus 16 in der Apostelgeschichte und auch in 1. Kor. 14 wieder unter den Juden stattfand.

Das Sprachenreden an die ungläubigen Juden war kein dauerhaftes Zeichen. Mit der Zerstörung des Tempels durch die Römer und der anschließenden Vertreibung der Juden aus ihrer Heimat, verbunden mit der immer stärkeren Annahme des Evangeliums durch die Heiden gab es noch andere deutliche Zeichen dafür, dass die Ausschließlichkeit Israels aufgehört hatte. In einer Zeit wie heute, wo längst klar ist, dass das Evangelium für die Heiden ist, wo es überhaupt nichts Besonderes mehr ist, dass Gottes Wort in allen möglichen Sprachen gesprochen wird, da verliert diese Gabe als Zeichen für ungläubige Juden ihren Sinn. Sie hat in diesem Zusammenhang auch praktisch aufgehört. Genauso wie heute niemand mehr das Gesicht (oder die Vision) des Petrus bekommen würde, um zu lernen, dass das Heil für alle ist. Es ist eine Wahrheit,  die mittlerweile völlig offensichtlich ist. Auch ohne jede Sprachengabe werden ungläubige Juden ständig Zeugen, wie alle möglichen Menschen aus allen möglichen Völkern zu dem Gott der Bibel beten. Ihr wichtigster Verbündeter tut das in englischer Sprache mit amerikanischem Akzent.

Das bedeutet aber nicht, dass diese Gabe grundsätzlich aufgehört hat. Wohl gibt es Gaben, die Gott nur für eine bestimmte Zeit gegeben hat, einfach deshalb, weil er sie zu einem bestimmten Zweck gab, der irgendwann erfüllt war.

Gott versorgte Israel 40 Jahre lang mit der Gabe des Manna. Sie sollten diese Gabe jeden Tag einsammeln, aber als sie das gelobte Land erreichten, kam sie nicht mehr (Jos. 5; 12). Die Gabe hatte ihre Bedeutung verloren und hörte daraufhin auf.

Als Johannes im Alter von rund 100 Jahren starb, hatte für die Gemeinde die Gabe der Apostel aufgehört. (1. Kor. 12; 28)

Die Gabe, das Wortes Gottes inspiriert niederzuschreiben, hörte mit der Fertigstellung des Neuen Testaments auf. (2. Petr. 1; 21)

Markus 16; 16: Wer glaubt und getauft wird, der wird gerettet werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden. 17 Diese Zeichen aber werden die begleiten, die gläubig geworden sind: In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben, sie werden in neuen Sprachen reden...

Wenn auch der hauptsächliche Zweck des Zeichens der Sprachengabe im Laufe der Zeit erfüllt war, so hörte diese Gabe dennoch nie wirklich auf. In Markus 16; 16–17 wird das Sprachenreden in einen besonderen Zusammenhang gestellt: Missionsarbeit! Das war natürlich einerseits die Missionsarbeit unter den Juden oder in Anwesenheit der Juden. Aber die spätere Entwicklung der Missionsarbeit ging in alle Welt, auch in Gegenden, wo gar keine Berührung mehr mit Juden stattfand. Sie verlief immer mehr völlig unabhängig von der Auseinandersetzung mit ungläubigen Juden. Und in diesem Zusammenhang, im Bereich der Missionsarbeit und der Ausbreitung des Reiches Gottes in alle Welt, tauchte diese Gabe weiterhin auf. Nicht massenhaft, aber hier und da als eine besondere Hilfe Gottes.

Beispiele:

1. Ein indischer Prediger der Gemeinde Gottes merkte ganz deutlich, dass er englisch beherrschen muss, um in seinem Wirkungskreis mehr Menschen erreichen zu können. Er konnte kein Englisch und hatte auch keine Aussicht auf sprachliche Bildung. So betete er einen Monat lang ernsthaft um diese Gabe. Gott erhörte ihn! Von da ab konnte er jederzeit in englischer Sprache reden. Er hatte die dauerhafte Fähigkeit bekommen, in einer Sprache zu sprechen, die er nie zuvor gelernt hat.

2. Ein Prediger der Gemeinde Gottes predigte in Panama das Evangelium. Er beherrschte die Sprache weder vorher noch nachher, aber die Leute verstanden ihn trotzdem. Hier war es ein temporäres Wunder, nicht dauerhaft, nur für diesen Einsatz.

3. Ein Prediger verkündigte in Afrika das Evangelium durch einen Übersetzer. Bevor die Predigt zu Ende war, setzte sich der Dolmetscher einfach hin. Der Prediger wies ihn darauf hin, dass er noch gar nicht fertig sei, worauf der der Dolmetscher ganz ruhig erwiderte: „Predige ruhig weiter, die Leute verstehen dich auch so“. Und das stimmte auch.

4. Von Bruder Berzins, einem aus Estland stammenden Bruder, wird folgendes berichtet: In der Zeit zwischen den Weltkriegen gab es ein reges Wachstum des Werkes der Gemeinde Gottes in Estland. Br. Berzins hatte damals das tiefe Verlangen sich Gott zum Dienst im Werk zur Verfügung zu stellen. Er sehnte sich danach, zur geistlichen Vorbereitung einen Bibelkurs zu besuchen. Solche Kurse fanden in Deutschland statt, im Missionsheim der GG in Essen, allerdings nur in deutscher Sprache, die Br. Berzins nicht verstand. Sein Verlangen, für Gott gebräuchlicher zu werden, war jedoch so groß, dass er sich von Gott erbat, diese Fremdsprache ohne vorherigen Unterricht verstehen zu können. So ging er im Vertrauen auf Gott in die Bibelschule und konnte dem Unterricht gut folgen. Mit der Zeit lernte er auch, deutsch nicht nur zu verstehen, sondern auch zu sprechen. Auffällig ist, dass auch hier die Gabe des Sprachenredens immer nur zum Dienst an anderen gegeben war, nie für die Betreffenden selbst.

Dies sind nur einige Beispiele. Im Laufe der Jahrhunderte trat die Gabe des Sprachenredens immer wieder auf, und zwar im Zusammenhang mit der Missionsarbeit unter fremdsprachigen Völkern. Der Empfang dieser Gabe blieb aber immer etwas Besonderes, eine Ausnahme von der Regel. Hudson Taylor musste Chinesisch lernen, John Hyde Indisch und die Missionare in den Urwäldern Südamerikas müssen nicht selten fast unbekannte Sprachen lernen, um im Segen arbeiten zu können. Das ist die Regel auch für die aufrichtigsten und gesegnetsten Diener Gottes. Daraus kann man auch die Erkenntnis ableiten, dass Gott grundsätzlich erwartet, dass wir alles tun, was in unserer Macht steht. Seine Gaben sind weder für Faulpelze noch für Wundersüchtige. Wer lernen muss und lernen kann, der hat zu lernen, egal welche Sprache. Aber darüber hinaus steht Gott in seiner Gnade und Souveränität jeder Weg offen, um alle unsere Mängel und Unzulänglichkeiten auszugleichen.