Neusatz und Chutor-Lubin

Von Torosow hatten wir 100 Kilometer bis zu den Geschwistern in Neusatz zu fahren. Auf halbem Wege hielten wir an. Die Leute dort öffneten uns ihre Kirchen und Häuser. Wir konnten dort auf drei Stellen Versammlungen halten. Als wir am anderen Tag in Neusatz ankamen, fanden wir viele liebe Geschwister. Etliche waren auch von weither gekommen. Und wir weilten in großem Segen zusammen.

Unsere Zusammenkünfte waren meist am Tage für Prediger und Verantwortliche in den Gemeinden, am Abend für die Allgemeinheit. Solche Versammlungen hielten wir auch an etlichen Tagen in Chutor-Lubin; außerdem noch Männer-, Frauen-, Jünglings- und Jungfrauenversammlungen. Weil in der Zwischenzeit der Herr in Neusatz zu manchen Herzen ernst geredet hatte, wurden wir aufgefordert, auch auf dem Rückweg dort noch etliche Versammlungen abzuhalten.

Die innige Gemeinschaft wurde dadurch sehr gefördert. Deshalb luden sie uns zu Pfingsten 1926 wieder zu ihrer großen Versammlung ein. Bruder Ackermann machte dazu seine große Scheune frei. Bis über 100 Kilometer weit kamen dazu viele wahrheitsliebende und suchende Leute.

Bei unserer Ankunft klagte uns Bruder Martin Gänsle, dass er lungenleidend wäre. Wenn der Herr sich seiner nicht erbarmte, sei es aussichtslos, dass er weder für Gott noch in seiner Landwirtschaft arbeiten könne. Als wir am Morgen des 2. Pfingsttages, etwa um 6 Uhr, zu unserer Gebetsstunde zusammenkamen, verspürten wir ein Wehen des Heiligen Geistes, ähnlich wie einst zu Pfingsten. Die Leute bekannten, während der Ansprachen mit dem Heiligen Geist erfüllt worden zu sein. Darunter war auch Bruder Gänsle. Er sprang auf und pries Gott für seine Heilung. Auch andere dankten Gott für die Heilung von ihren Leiden. Bruder Gänsles Lungenleiden war plötzlich restlos geheilt. Unsere Gebetsstunde verzog sich bis etwa 11 Uhr. Wir erlebten Segensstunden, die viele von den Anwesenden in ihrem Gedächtnis behalten haben. Das war ein Durchbruch auch für die ganze Umgebung. In der ganzen Gegend, den Dörfern in der Nähe, begannen sich dann grundlegende Gemeinden zu entwickeln.

Von der Zeit an kamen wir mit den leitenden Brüdern ein bis zweimal jährlich zusammen – ob zu einer Konferenz oder solch einer allgemeinen Versammlung. Wir hatten diese Treffen abwechselnd in Wolhynien und im Süden Russlands. Obwohl wir etwa 1000 Kilometer voneinander entfernt waren, scheuten wir die mancherlei Strapazen nicht. Wir spürten ja, dass wir von diesen Zusammenkünften einen großen Segen mit nach Hause nahmen. Wir arbeiteten mit den Geschwistern Hand in Hand und der Herr war mit uns und bezeugte sich nach seiner Verheißung.

Auch während der großen Versammlung an Pfingsten 1927 bewegte das Wirken des Heiligen Geistes so mächtig die Herzen, dass die Menschen die Taten Gottes, die an ihnen geschahen, nicht verschweigen konnten. Nicht allein durch Zeugnisse und im Gebet, sondern auch sonst, wo sie mit Leuten in Berührung kamen, verkündigten sie die Allmacht Gottes und seine großen Taten an ihnen.

Die Geschwister erzählten uns, dass in Chutor-Lubin vielleicht nur 5 Personen im Ort die Versammlungen nicht besuchten. Man nannte es bald das „heilige Chutor“. Auch der Lehrer Löffler und seine Frau hatten sich zu Gott bekehrt. Der Herr konnte sie besonders im Gesang gut gebrauchen. Denn ungefähr die Hälfte der Geschwister dort waren Sänger, die in deutscher und russischer Sprache Lieder vortrugen. Die Schulglocke, durch deren Läuten die Kinder zum Unterricht gerufen wurden, diente auch zum Rufen zur Versammlung. Und die gottesdienstlichen Benachrichtigungen wurden durch den örtlichen Gemeindeboten ausgeführt. Es waren nun alles Gläubige und ein Herz und eine Seele.

Etwa 8 Kilometer von Chutor-Lubin entfernt, in der großen deutschen Kolonie Neusatz, wo Bruder Gänsle mit Familie wohnte, hatte der Herr auch eine Anzahl Menschen herausgeführt und zu treuen Kindern Gottes gemacht. Auch in der noch etwas größeren und weiter abgelegenen Kolonie Johannesthal hatte die Wahrheit Fuß gefasst. Die Leitung der Versammlung dort hatte der Herr dem Bruder Schmidt aufs Herz gelegt.

Zum Mitwirken am Aufbau des Werkes Gottes und damit die Geschwister und die Außenstehenden mehr von der Wahrheit ergriffen wurden, ließ der Herr auch manches geschehen. Schwester Schütz, die dort wohnte, bekam ein großes inneres Geschwulst. Die Krankenschwester und der Dorfarzt rieten dringend zu einer Operation, als zu der noch einzigen Hilfe. Das waren für die Geschwister schwere Stunden. Die Schwester war doch ihren kleinen Kindern noch so nötig. Ihr Mann spannte sein Fuhrwerk an und sie fuhren nach Odessa zum Arzt. Dieser sagte nach der Untersuchung, dass er auch keinen anderen Weg zur Hilfe sähe. Sie sollen nur ihre Einwilligung zur Operation geben und die Schwester solle gleich zur Operation dableiben.

Als die Geschwister sich nun hierüber aussprachen und sich  einstimmig dazu entschließen wollten, kam der Schwester das Gottvertrauen in den Sinn und sie fing an, ihren Mann dazu zu überreden. Kurz entschlossen und in festem Glauben traten sie ihren Rückweg an. Nach einer Fahrt von 50 Kilometer kehrten sie in Chutor-Lubin ein. Dort bat die Schwester die Brüder, zu ihr zu kommen, ließ sich von ihnen die Hände auflegen und für sie beten. Und, Preis dem Herrn! Von Stund an verschwand dieses Geschwulst. Die Schwester war davon befreit!

An ihren Ort zurückgekehrt, pries die Schwester natürlich den Herrn dafür. Wo immer sie nur Gelegenheit hatte, zeugte sie, dass sie geheilt worden sei. Die Leute konnten es nicht recht fassen und einige überredeten die Krankenschwester, diese Sache doch zu überprüfen und sie eingehend zu untersuchen. Doch auch sie bekannte danach, dass an dieser Frau ein großes Wunder Gottes geschehen sei. Sehr schnell verbreitete sich dann die Kunde davon im ganzen Ort und der Umgebung. Viele wurden in ihrer Seele angeregt, kamen zur Versammlung und fanden auch Frieden im Blute des Lammes.

Dieses Wunder Gottes wirkte wie ein Bombenschlag auf die Gottlosen und Unbekehrten. Die Versammlung nahm dadurch einen guten Aufschwung. Die Gläubigen waren überglücklich, dass der Herr ihnen seine Gemeinde sichtbar offenbart hat.