Das Osterwasser

Eine besondere Rolle spielt des »Osterwasser«.
Aus einem Dorf in Hessen wird geschrieben: »Hier im Dorf ist es Sitte, daß manche Leute am ersten Ostertag, ehe die Sonne aufgeht, Osterwasser holen in einem fließenden Bach. Dabei darf man mit niemand reden, bis man das Wasser geholt hat. Dieses Wasser wird in ein irdenes Gefäß getan und bleibt dann ein Jahr lang frisch, im Keller aufbewahrt. Man schreibt dem Wasser auch Heilkraft zu.«
Vom Thüringer Wald wird geschrieben: »Am Karfreitag in der Nacht und am Ostersonntag vor Sonnenaufgang holt man Wasser, welches sich hält und nicht schlecht wird. Dieses trinkt man gegen allerlei Gebrechen, oder« waschen sich darin.«
In demselben Brief heißt es: »Andere haben ihre Häuser besprechen lassen, um sie so vor dem Abbrennen zu schützen. Sie haben ein Schreiben, das irgendwo unter oder auf einen Balken gelegt wird. Dann passiert nichts! mit dem Haus. Manche machen es auch so mit dem Viehstall, damit dem Vieh nichts geschieht.«
»Neulich starb eine Frau, die häufiger zur Versammlung gekommen war. Sie war sehr alt. Wenn sie mal krank war dann ließ sie sich >säen<. Man nahm dazu einen Blumentopf voll Asche und streute Samen hinein. Was dazu gesprochen wurde, weiß ich nicht. Ging der Same auf, dann wurde sie gesund, wenn nicht, dann starb sie. Als sie jemand auf das Sündliche dieses Treibens aufmerksam machte, sagte sie einfach: >Aber es hat mir immer geholfen!< - Schaurig war ihr Sterben. In den letzten Stunden fing sie von diesen Sachen nochmals an und sagte, sie hätte alles ans Licht gebracht; das machte mich stutzig, und ich fragte nochmals, ob sie auch keinen Brandbrief oder so etwas habe. Sie sagte mir, alles wäre verbrannt. In ihren letzten Augenblicken rang sie mit dem Teufel. Als später der Nachlaß geteilt wurde, war auch ein >Brandbrief< darunter.
Vielfach werden hier auch Kinder >gestrichen<. Man sagt sie wären angewachsen vorn auf der Brust. Deshalb massiert man sie mit Öl und darnach faßt man das Kind unter die Arme und schwenkt es über Kreuz, indem dazu der Name Gottes gesprochen wird.
Wenn man Mitesser hat, dann geht man zu einer Frau, die streicht darüber hin mit einem Stückchen Brot und gib dann dieses Stückchen Brot einem schwarzen Huhn. Oder man vergräbt es.
Als neulich jemand krank war, wurde ihm geraten, drei Äpfel auf das Fensterbrett zu legen. So wie die Äpfel vertrockneten, so vertrocknete auch die Krankheit.
Bei Neumond darf man nicht Kartoffeln stecken oder Korn säen.«
Ist das nicht ungebrochenes Heidentum? Ist das nicht geradeso wie bei den Römern und Griechen, die ihre Glücks- und Unglückstage hatten?
Der Schluß dieses Briefes, den eine Gemeindeschwester schreibt, lautet: »Die meisten denken nicht, daß es Sünde sei.«
Das ist das Furchtbare, daß man gar keine Ahnung hat, um was es sich bei diesen »guten Ratschlägen« handelt.
Ich weiß von einem alten Bruder, der Versammlungen hielt und zu einem anderen Gläubigen sagte: »Wenn du aus Barmherzigkeit damit einem Menschen helfen kannst, dann ist es keine Sünde. Nur wenn dafür Geld angenommen wird.«
Als ob die Sache verändert würde, wenn man Geld dafür nimmt oder sie umsonst geschieht! Es ist ein Zeichen, wie wenig man dies Gebiet noch in seiner ganzen Unheimlichkeit kennt und versteht, daß ein alter Prediger so etwas sagen kann.
Ein alter Bruder schreibt mir, daß seine Frau als junges Mädchen von einem wirklich frommen (!?) Mann besprochen worden sei gegen Kopfschmerzen. Der Mann legte ihr ein Tuch um den Kopf und machte drei Knoten. Dabei sprach er eine lästerliche Zauberformel.
Wie furchtbar, wenn Menschen in dieser scheinfrommen Weise den Namen Gottes mißbrauchen! Wie furchtbar, wenn man - um seine vorübergehenden Kopfschmerzen loszuwerden- sich mit dem Teufel einläßt und das Leben unter einen Bann bringt!
Eine ehemalige Zauberin schreibt: »Ich habe auch an den Augen gezaubert. Vor Sonnenaufgang- und -untergang wird es meist gemacht, entweder unter einem Baum oder in den Mond. Man fährt mit dem Finger ums Auge herum, indem man eine Formel dabei spricht, die drei Kreuze macht und den Namen der Dreieinigkeit ausspricht . . .
Ich habe auch meine Zähne >verschreiben< lassen. Da mußte ich drei Tage einen Zettel an der Backe tragen, ich durfte aber nicht hineinsehen. Dann mußte ich ihn nach Sonnenuntergang entweder rückwärts ins Feuer werfen oder in fließendes Wasser.