Im Missionsheim in Essen

Ende November 1907 trat eines Tages ein Bruder, Heinrich Begemann, mit der Frage an mich heran (er war zeitweise mit unserem Werk in Verbindung), ob ich nicht als Missionsarbeiter in den Dienst des Herrn eintreten wollte.

Das Missionsheim war durch Prediger George Vielguth im Oktober 1907 in Essen in der Friedbergstraße 13 eröffnet worden. Dieses Missionsheim wurde in jenen Jahren für unser Werk in Europa (Deutschland, Holland, Schweiz, Ungarn, Polen, Bulgarien, Lettland und Russland) von allergrößter Bedeutung. Von diesem Missionsheim aus, das gewissermaßen die Zentrale war, wurden dann in den folgenden Jahren Missionsreisen in die verschiedenen Länder unternommen.

Hier fanden auch anfänglich die Lagerversammlungen statt, die zuerst immer 10 Tage dauerten. Sie übten einen überaus starken Einfluss auf das Werk aus. Ebenso betrieben wir vom Missionsheim aus eine sehr intensive Schriftenverbreitung. Ich selbst war darin drei Jahre tätig. Später zogen wir in das Haus Friedbergstraße 21 um. Das Missionsheim war nicht Gemeindeeigentum, sondern nur gemietet. Unten war der Versammlungssaal und oben waren 13 Wohnräume. Da fast ganz Essen Bergwerksrevier war, musste auch unser Haus darunter leiden und bedurfte immer wieder gründlicher Reparaturen. Die Kohlenbergwerke verursachten beträchtliche Haussenkungen und bedingten größere Schäden und Reparaturen.

Meine Aufgabe im Missionsheim war aufzuräumen, in der Waschküche und Küche zu helfen und den Versammlungssaal zu reinigen. Dabei war aber die Beköstigung sehr knapp. In der ersten Zeit gab es auch kein Geld, später erhielten wir monatlich 15-20 DM Taschengeld.

Im Geistlichen aber fand ich Vorteile. Es war immer ein Prediger anwesend. Zuerst war es Br. George Vielguth, dann Geschwister Arbeiter, nach ihnen Geschwister Doebert. Die Andachten waren gründlich, gut und wirkten großen Segen. Es war eine Art von Bibelschule. Da meine Seele nach dem Worte Gottes dürstete, achtete ich nicht auf die äußerlichen Verhältnisse. Ich stürzte mich hinein in den Strom des Wortes Gottes, der uns geboten wurde. Ein großer Segen wurde mir dadurch zuteil. Auf Grund der vollen Wahrheit erlangte ich gründliche Bibelkenntnisse, die mir bis auf den heutigen Tag geblieben sind. Neben der Lehre wurde auch darauf geachtet, dass jede Person zu einer gründlichen Heilserfahrung, Wiedergeburt und Heiligung, kam. Man unterwies uns eingehend im Worte Gottes, so dass wir zu einer guten geistlichen Grundlage kamen. Dafür bin ich heute noch Gott und den Brüdern dankbar.

Große Beachtung schenkte man auch dem Zusammenleben. Man erkannte den Wert der inneren Einheit. Dadurch konnte jeder bald erkennen, wie es innerlich mit ihm steht. O wie viele waren draußen und in ihren Augen große Leute! Im Missionsheim, wo wir von 10 bis 15 Personen waren, hat mancher erkennen müssen, dass ihm noch viel fehlte. Spielt jemand ein Instrument für sich alleine, dann mag es ihm gut erscheinen. Spielt man aber im Orchester, dann muss schon jede Saite richtig gestimmt sein, sonst klingt es nicht harmonisch. So ist es auch im Geistlichen, besonders aber unter Predigern. Da müssen wir nach unserm Herrn eingestimmt werden und nicht nach einer menschlichen Meinung (Röm. 15:5-7). Jesus Christus muss der Tonangeber bleiben.

Aus diesem Grunde mussten, wie schon erwähnt, die führenden Männer der Morgenzeit viele Jahre in Jerusalem zusammen bleiben, um die Einheit des Geistes und Einheit des Glaubens gründlich und praktisch zu lernen. Dann erst gingen sie hinaus, wohl äußerlich getrennt, aber innerlich verbunden. Dann arbeitete nicht jeder für sich und seine Interessen, wie man es leider soviel findet. Auch arbeiteten sie nicht miteinander, sondern füreinander und für die eine große Sache unseres Heilandes, der gekommen ist zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.

Dieses versuchte man damals im Missionsheim praktisch auszuleben. Ich bin Zeuge, dass das nicht leere, stolze Worte waren, sondern man pflegte wirkliche und praktische Einheit.