Die Kirgisenhochzeit

Eigenartig ist eine Hochzeit bei den Kirgisen. Schon mit sechs bis sieben Jahren werden die Mädchen verlobt. Die Knaben sind meist zehn, zwölf oder fünfzehn Jahre alt. Bei der Verlobung findet die Abmachung über die Aussteuer (Heiratsgut) statt. Der Vater des Mädchens bekommt manchmal 30-40 Stück Vieh. Je nachdem sie miteinander einig werden, ist ein Teil schon bei der Verlobung fällig, der Rest wird kurz vor der Hochzeit übergeben. Das Mädchen wird ab 14 Jahre für heiratsfähig erklärt. Gelingt es nun dem Bräutigam, das Mädchen gewisse Zeit vor der Hochzeit wegzustehlen, so braucht er den Brautpreis (Kalym) nicht mehr zu bezahlen. Jeder ist deshalb darauf bedacht, um den Brautpreis herumzukommen. Der Brautraub wird mit den allergeschicktesten Methoden durchzuführen versucht. Mädchen, die ihrem Bräutigam sehr gewogen sind, helfen ihm dabei. So braucht er nichts mehr zu zahlen. Andere aber sind ihrem Vater sehr gewogen und sind darauf bedacht, sich nicht stehlen zu lassen.

Der Bräutigam sucht sich dazu gute Kundschafter aus und nimmt erfahrene Männer zur Hilfe. Ist der Vater mal nicht daheim, kommen eine Anzahl Berittene und ein oder zwei leichte Schlitten. Sie bringen 2 Frauen von des Bräutigams Verwandten mit. Das Elternhaus des Mädchens wird regelrecht überfallen. Das Mädchen wird, wenn es nicht freiwillig will, gewaltsam ergriffen, zwischen die beiden Frauen gesetzt, und dann geht es in rasendem Galopp davon! Einige Bewaffnete reiten vorn, andere zur Nachhut hinterher. Erfährt der Vater vom Raub seiner Tochter, so macht er ein großes Geschrei. Seine Verwandten und Bekannten, die zu dieser Zeit ihre Pferde schon immer gesattelt haben, galoppieren hinterher. Manchmal ist es ein ganzer Aul.

Nicht selten kommt es zu einem kleinen Krieg, bei dem auch Blut vergossen wird. Der Geschicktere und Stärkere gewinnt dann. Wohnt der Bräutigam in demselben Ort, so führt er seine Braut weit fort; möglichst bringt er sie an einen Ort, den der Vater des Mädchens nicht kennt. Dort wird sie zwei Wochen versteckt gehalten. Hat sie der Vater nach diesen zwei Wochen nicht gefunden, dann hat er verspielt. Der Bräutigam bringt sie nach dieser Zeit wieder in ihr Vaterhaus, und die Hochzeit findet statt. Daran nimmt selbstverständlich auch der Vater teil, wenn er vielleicht auch etwas ärgerlich ist, dass er das Vieh nicht bekommen hat.

Am Hochzeitstage reichen die Brautleute selbst den Gästen den Kumys, dazu in kleine Stücke geschnittenes Fleisch. Die Jurten, Teppiche, Kissen und das andere Hausgerät bringt die Frau mit in die Ehe. So ist es Sitte unter den Kirgisen. Ich erlebte alles selbst, als in unserem Nachbarhaus eine Braut versteckt war. Wenn hierbei auch alles sehr sittsam zugeht, so dürfen wir doch sehr froh sein. Bei uns gibt es in Verbindung mit der Hochzeit weder Raub noch Krieg. Auch hinsichtlich des Alters geht es normal zu.