Der Schild des Glaubens

Das vierte Stück der Waffenrüstung Gottes ist „der Schild des Glaubens“. Offenbar legt der Apostel besonderen Nachdruck darauf, denn er sagt: „Vor allem aber ergreift den Schild des Glaubens“. Der Schild ist keine Waffe zum Angriff, sondern zur Deckung und Bewahrung gegen Angriffe. Letztere stellt der Apostel sehr ernst vor unsere Augen, wenn er von feurigen Pfeilen des Bösen redet.

Es muss auf uns immer einen tiefen Eindruck machen, wenn Satan der Arge, der Böse oder Bösewicht genannt wird. Er ist durch und durch böse, bösartig, so dass sein ganzer Kampf gegen uns verderbenbringend ist. Wenn der Apostel von feurigen Pfeilen des Bösen redet, so erinnert er uns daran, dass die Angriffe des Bösen eine entzündbare Wirkung haben. Er weiß des Menschen Begierden und seine Phantasie für das Fleischliche und Unreine zu entzünden. Menschen, die sich an Orte begeben, wo sie der Sinnenrausch weltlicher Vergnügungen umgibt, wo unreine „Kunst“ die Sinne und Begierden entzündet, erfahren die verderblichen Wirkungen dieser feurigen Pfeile auf tödliche Weise. An solchen Orten fehlt ja auch die göttliche Deckung, der Schild des Glaubens. Wo feine und grobe Lust ihre Nahrung findet, da ist kein Gebetsgeist, da können die Bogenschützen aus der Hölle ihr Handwerk ungehindert treiben. Lasset uns alle Gelegenheiten meiden, wo wir keine göttliche Bewahrung erwarten dürfen. Wenn wir das Glatteis betreten, so fallen wir.

Aber auch die Kinder Gottes, die wachen und sich der Welt nicht gleichstellen, erfahren die feurigen Pfeile des Bösen. Blitzartig und unerwartet kann er über uns kommen und böse Gedanken und Begierden in uns wecken wollen. In solchen Augenblicken ist es von entscheidender Bedeutung, ob eine Seele ganz aufrichtig ist, ob sie es ganz mit Jesu hält, oder ob noch ein verborgenes Liebäugeln mit der Sünde vorhanden ist. Ist letzteres noch im Herzen, so kann von Bewahrung keine Rede sein. Der Feind kennt jede Blöße, die wir haben, und weiß die Augenblicke herauszufinden, in welchen er uns verwunden kann – womöglich tödlich. Diese Tatsache erfordert von uns eine völlige und gründliche Selbstprüfung. Der Schild des Glaubens kann uns nicht völlig bewahren, wenn wir vor Gott nicht durch und durch lauter sind. Der Schild des Glaubens setzt herzliche Willigkeit zum Glaubensgehorsam voraus. Nur dann ist unsere Bewahrung möglich.

Deshalb begreifen wir, warum die Schrift von einer doppelten Bewahrung redet. In 1Joh 5,18 lesen wir: „ wer aus Gott geboren ist, der bewahrt sich selbst, und der Böse tastet ihn nicht an“. Diese Worte reden von Selbstbewahrung und erinnern uns an des Heilands Wort in Gethsemane: „Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung kommt!“ (Mt 26,41). Ohne unser Wachen und Beten ist unsere Bewahrung unmöglich. Der Feind versucht immer wieder, unsere Gedanken auf die Sünde und das Eitle hinzulenken. Wenn wir uns nicht sofort wappnen durch Gebet und den Glaubensblick auf Jesus, so werden wir befleckt, verwundet und leiden Schaden. O, wie leicht fehlen wir in diesen Dingen! Augenblicke reichen aus, damit unser Auge an der Sünde hängen bleiben kann und wir befleckt werden!

Viel mehr als von Selbstbewahrung redet die Schrift von göttlicher Bewahrung. Auch in der Selbstbewahrung nehmen wir eigentlich die göttliche Bewahrung im Glauben in Anspruch. Wie oft reden die Psalmen von der Bewahrung des Herrn! Auch im Neuen Testament tritt uns die göttliche Bewahrung trostreich entgegen. Wie herzlich bittet der Heiland im hohepriesterlichen Gebet den Vater, dass er die Seinen bewahre vor dem Bösen (Joh 17,15). In 2Thess 3,3 versichert der Apostel Paulus der Gemeinde: „Aber der Herr ist treu; er wird euch stärken und bewahren vor dem Bösen“. Und in 1Petr 1,5 schreibt Petrus an die Gemeinde: „… die wir in der Kraft Gottes bewahrt werden durch den Glauben zu dem Heil“. Zu diesen Stellen kommen noch viele andere hinzu, wie z. B. Joh 10,28: „ [meine Schafe] werden in Ewigkeit nicht verloren gehen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen“.

Diese köstlichen, trostreichen Verheißungen ergreift der Glaube als Schild zur Deckung und Bewahrung. Ja, noch mehr: Der treue Gott und Herr, der uns diese Verheißungen gegeben hat, ist selber unser Schild. Schon in 1Mo 15,1 spricht Gott zu Abraham: „Ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn!“ Und wie oft stellt sich Gott uns in den Psalmen als der Heiligen Schild vor. Wir können wohl sagen: Das Leben der Kinder Gottes aller Zeiten ist ein Beleg dafür, dass Gott der Herr selber unser Schild ist, durch den wir gedeckt und bewahrt werden in allen Versuchungen, Gefahren und Angriffen des Feindes. Es ist lauter anbetungswürdige Gnade, dass es einen Schild des Glaubens gibt, der alle feurigen Pfeile des Bösewichts auslöschen und unwirksam machen kann.

Man hat schon oft gesagt, dass das Auslöschen der feurigen Pfeile des Bösen auf das Blut Jesu Christi hinweise. Wer wollte das verneinen! Es entspricht der vollen Wahrheit, wenn Gottes Volk singt:

„Doch er flieht, doch er flieht,

wenn er mich beim Kreuze sieht.

Da muss Angst und Trauern schwinden,

da kann weit ich überwinden

und ich sing ein Jubellied.“

Schon für das alttestamentliche Bundesvolk war das Blut des Passahlammes, mit dem die Türpfosten bestrichen wurden, der Schild, der sie vor dem Würgengel bedeckte. Das Blut des Passahlammes war ein Vorbild auf das Blut des neutestamentlichen Lammes Gottes, das der Schrecken der Hölle ist. Wie oft habe ich in meinem eigenen Leben und im Leben anderer erfahren, dass das neutestamentliche Bundesvolk ebenso geborgen ist unter dem mächtigen Schutz des Blutes Jesu Christi, wie Israel unter dem Schutz des Blutes des Passahlammes!

Ich hatte in meiner langjährigen Seelsorge viele Seelen, die durch lästerliche und andere böse Gedanken entsetzlich geplagt wurden. Diese Gedanken kamen blitzartig über sie und erfüllten sie mit Angst. Statt sie als feurige Pfeile des Bösen anzusehen, die gegen ihren eigenen Willen über sie kamen, sahen sie dieselben als persönliche Sünde an, quälten sich und kämpften dagegen, aber ohne Erfolg. Als ich ihnen den Rat gab, sich nicht mehr darüber zu quälen, da sie ja gegen ihren Willen kamen und deshalb nicht Sünde sein konnten, sondern immer wieder unter die schützende Macht des Blutes Jesu Christi zu flüchten, da wich der Feind Schritt für Schritt und sie wurden schließlich frei. Diese gnadenreiche Erfahrung haben unzählige Kinder Gottes in den schwersten Versuchungen und Anfechtungen gemacht. Der Feind konnte nicht stehen, sondern floh vor dem Blut Christi. Dafür sei dem Herrn Lob und Dank!

Aber der Heilige Geist arbeitet an uns zu verschiedenen Zeiten auf verschiedene Weise. Haben wir Versuchungsstunden gehabt, in welchen er unser geistliches Auge ausschließlich auf das Blut Christi gerichtet hat, so machte er uns zu anderen Zeiten die Gegenwart unseres Heilandes lebendig, der die Seinen in seiner Hand hält, sie deckt und bewahrt, so dass der Feind sie nicht antasten kann. Je näher wir dem Herrn sind, desto mehr sind wir geborgen.

Ob wir zu unserer Bewahrung auf Jesu Blut vertrauen, ob uns der Herr eine besondere Verheißung zu unserer Deckung lebendig macht oder seine persönliche Gegenwart besonders erfahren lässt, so hat unser Glauben es schließlich doch immer mit ihm zu tun. Der Schild bleibt ein Glaubensschild. Zweifel und Unglaube haben keine Verheißung, sie lähmen die Hand, die den Glaubensschild halten soll.