Das Schwert des Geistes

Das sechste Stück der Waffenrüstung ist das Schwert des Geistes, welches das Wort Gottes ist. Ich brauche nicht zu sagen, wie außerordentlich wichtig dieses Stück göttlicher Waffenrüstung ist. Was zunächst auffällt, ist die Tatsache, dass in der ganzen Waffenrüstung Gottes das Schwert des Geistes die einzige Waffe zum Angriff ist. Zwar können wir auch das siebente Stück, das Gebet, eine Angriffswaffe nennen, doch nicht in der Weise wie das Schwert des Geistes. Mit unserem Gebet wenden wir uns im Vertrauen an Gott und überlassen es dann ihm, wie er handeln und wirken will. Aber das Schwert des Geistes, das Wort Gottes, sollen wir gebrauchen.

Bei dieser Tatsache, dass in der ganzen Waffenrüstung Gottes nur ein Stück zum Angriff dient und sechs Stücke zur Deckung und Bewahrung, müssen wir etwas verweilen, weil sie für die Stellung und den Charakter der Kinder Gottes sehr wichtig ist. Es hat zu allen Zeiten unter den Christen „streitbare Helden“ gegeben, die den Angriff und den Kampf vor allem liebten. In ihrem Wirken stand die Polemik im Vordergrund und ihre Klinge war scharf in Wort und Schrift.

Es ist keine Frage, dass es im Reiche Gottes Zeiten gibt, und die gegenwärtige gehört auch dazu, in welchen Gott seine Zeugen zum Angriff des Feindes auffordert. Wir hätten keine Reformation bekommen, wenn Luther die römischen Irrtümer nicht öffentlich und energisch angegriffen hätte. Heute haben wir innerhalb der Kirche so viele Feinde des Evangeliums, dass die Verwüstung der Kirche schon viel mehr fortgeschritten wäre, wenn wir keine Männer hätten, die nicht nur die Wahrheit des Evangeliums verteidigen, sondern auch die Lüge angreifen. Auch die Propheten des Alten Bundes beschränkten sich nicht nur auf Abwehr, sondern griffen die Feinde des Volkes Gottes an. Man kann und darf auf dem Schlachtfeld das Schwert nicht mit Baumwolle umwickeln.

Aber dennoch bleibt es für Gottes Volk beherzigenswert und lehrreich, dass unter den sieben Stücken der Waffenrüstung Gottes sechs hauptsächlich zur Bewahrung dienen und eines zum Angriff. Wollen wir diese Tatsache völlig verstehen, so müssen wir uns daran erinnern, dass der Apostel die Heiligen in Ephesus aufforderte, die Waffenrüstung Gottes anzuziehen. Sie ist also nur für Kinder Gottes. Diesen sagt die ganze Zusammensetzung der Waffenrüstung Gottes, dass –

a) alle, die sie anziehen, in Christus Jesus und in seiner Lebensgemeinschaft bleiben sollen: „Seid stark im Herrn und in der Macht seiner Stärke“ (V. 10);

b) der Apostel uns lehrt, dass unsere Bewahrung und unser Bleiben in Christus die Hauptsache ist;

c) nur wenn wir bewahrt werden und in Christus bleiben, sind wir fähig, den Feind anzugreifen.

Es ist eine bekannte Erfahrungstatsache, dass Brüder, die besondere Liebhaber des Kampfes sind, leicht in den Partei- und Richtgeist hineinkommen und Schaden am inwendigen Menschen leiden. Unser inneres Leben gedeiht nur, wenn wir im Frieden und in der Liebe bleiben. Also auch beim unvermeidlichen Kampf müssen wir beständig wachen, damit wir im Frieden und in der Liebe erfunden werden (2Petr 3,14; 2Thess 3,16; Joh 15,9; 1Tim 6,11; 1Joh 4,16).

Zu dem Gesagten muss ich aber hinzufügen, dass das Schwert des Geistes nicht nur eine Angriffswaffe ist, sondern besonders auch eine Waffe zur Abwehr und Verteidigung. So hat es ja auch der Herr in der Versuchung in der Wüste dem Satan gegenüber gebraucht und ihn damit überwunden. Wir können aber in vielen Fällen den Angriff des Feindes und die Abwehr nicht trennen. Wir selbst erfahren das oft. Wichtig für alle Zeiten ist, dass der Heilige Geist das Wort Gottes als Schwert braucht. Ohne den Heiligen Geist ist das Wort Gottes zunächst nicht Schwert, sondern Buchstabe.

Das sehen wir bei der Wortverkündigung tausendfach. Wie viel wird Wort Gottes formell richtig gepredigt, hat aber wenig oder keine Wirkung. Warum? Weil sein Träger den Heiligen Geist nicht hat. Das geschriebene Wort Gottes, das wir jetzt haben, kommt ja aus dem Mund von Geistesmenschen. Und darum hat dieses Wort Sünde, Welt und Teufel überwunden. In unserem Text wendet sich der Apostel ebenfalls an Geistesmenschen in Ephesus. Ihnen sagt er: „Nehmt das Schwert des Geistes, welches das Wort Gottes ist“. Auch in unseren Tagen wirkt das Wort Gottes als Schwert, wenn es aus dem Munde lebendiger Zeugen Jesu Christi kommt. Es erweckt und verwundet die Gewissen; es scheidet Fleisch und Geist, es scheidet den Menschen von der Sündenliebe und vom Sündendienst. Und wenn es das getan hat, so bringt es Frieden, Leben, Liebe, Freude und Hoffnung in die Herzen hinein. Es schafft Geistesmenschen, die selbst wieder das Schwert des Geistes führen und die Reihen der Streiter Jesu Christi stärken. Diese Tatsache gibt uns Mut, auf dem Kampfplatz in voller Gewissheit auszuharren, dass alle Feinde ihre fleischlichen Waffen vor dem Schwert des Geistes strecken müssen.

Heute wird Gottes Wort zuweilen mit Begeisterung und „Wärme“ vergeblich verkündigt. Denn während man Gottes Wort in den Mund nimmt, entleert man es von seinem göttlichen Inhalt und schiebt menschliche, moderne Begriffe unter. Man predigt zwar von Christus als dem Sohn Gottes, jedoch nicht davon, dass er vom Heiligen Geist gezeugt ist. Er soll Gottes Sohn sein wie du und ich. Man redet von der Auferstehung der Toten, aber nicht von der Auferstehung des Leibes. Unter Auferstehung versteht man, dass gewisse Ideen, die Christus und andere ausgesprochen haben, immer wieder lebendig werden und ihre Auferstehung feiern. Solche Predigt ist kein Gottes Wort und die Begeisterung, mit der sie vorgetragen wird, ist nicht Gottes Geist, sondern menschliche Gemütswärme. Darum kann auch von einem „Schwert des Geistes“ nicht die Rede sein, sondern von „Scheidewasser“, das die Wahrheit auflöst. (Scheidewasser ist eine schwach konzentrierte Salpetersäure, die zur Trennung von Gold und Silber dient. Durch die schwache Konzentration ist es dem Scheidewasser möglich Silber zu lösen, während Gold unverändert bleibt (Anm. d. Red). Es werden dadurch keine Geistesmenschen erzeugt, sondern menschliche Einbildung.

Dann haben wir seit mehreren Jahren Geisteserzeugnisse, die dem geoffenbarten, geschriebenen Wort Gottes widersprechen. Geister, die dem geschriebenen Worte Gottes widersprechen, sind nicht aus Gott, sondern verführerische Geister. Der Heilige Geist, der vom Vater und vom Sohn ausgeht, stimmt immer mit Gottes Wort überein. Er gebraucht das geschriebene Wort Gottes als Schwert. Wir müssen daher die Geister am Wort prüfen. Reden sie nicht nach dem Wort Jesu und seiner Apostel, so kommen sie aus dem Abgrund. Sehr oft erkennt man solche Lügengeister am Hochmut. Der Heilige Geist, der Gottes Wort als Schwert führt, wirkt immer Demut, Gehorsam gegen Gottes Wort, Abhängigkeit von Gott. Das Schwert des Geistes zerstört allen Hochmut, alle Einbildung. Es dient nie der Verherrlichung des Fleisches oder von Menschen, sondern ausnahmslos der Verherrlichung Gottes. Alle Menschen, die Gottes Wort als Schwert des Geistes gebrauchen wollen, müssen erst durch dieses Wort geistlich arm werden, damit Gottes Geist in ihnen wohnen kann. Nur dann kann Gott ihnen sein Wort anvertrauen. Aus ihrem Mund wird es sich als Macht erweisen, die alles gottlose Wesen zerstört. Alle, welche dieses Schwert des Geistes immer zuerst gegen sich selbst richten, damit sie unbedingt im Gehorsam des Glaubens verharren, dürfen ihm ohne Wanken vertrauen. Solange wir mit dem blanken Schwert des Geistes die Kriege des Herrn führen, werden wir siegen.