Trotzdem: Ermüdungsbruch durch Kleinglauben

Und ausgerechnet jetzt, in dieser Blüte seines Glaubenslebens, ändert David seinen Kurs. Er fällt von der Höhe seines reifen Gottvertrauens hinunter in das Tongemisch aus Glauben und Unglauben. Er wendet sich dem Kleinglauben zu und das wird sein Leben sehr stark verändern. 
In der Technik gibt es den Begriff des Ermüdungsbruches, wenn ein Bauteil eine Last zwar grundsätzlich tragen könnte, aber durch die Vielzahl der Lastwechsel irgendwann einfach «ermüdet» und bricht.
Die ständige Aufeinanderfolge von Glaubensproben stellte eine zunehmende Beanspruchung für Davids Glaubensleben dar. Das wäre auch nach der neunten Prüfung noch gut zu tragen gewesen, wie wir später noch sehen werden. Aber unter dem Einfluss des Kleinglaubens kam David an einen Punkt, wo er fühlte, dass er diesen Beanspruchungen in Zukunft einfach nicht mehr gewachsen sein werde. Dadurch kam es bei ihm zum geistlichen Ermüdungsbruch: 
«Und David dachte in seinem Herzen: Ich werde doch eines Tages durch die Hand Sauls weggerafft werden. Es gibt nichts Besseres für mich, als dass ich eilends in das Land der Philister entfliehe.» (1.Sam. 27,1 ff).
Kein Wort mehr von der Treue Gottes, die er so oft in den Psalmen besungen hatte. Keine Erinnerungen mehr an kostbare Gebetserhörungen und wunderbare Errettungen. Keine Silbe mehr von der souveränen Führung Gottes, die er so oft erlebt hatte. Wo war die Kraft seines Glaubenslebens geblieben? Und auch kein Fragen mehr nach dem Weg des Herrn. Es war ihm doch sonst so wichtig gewesen, den Weg und Willen Gottes für sich herauszufinden. Stattdessen denkt er in seinem Herzen: «Es gibt nichts Besseres für mich, als dass ich eilends in das Land der Philister entfliehe.» Er hätte sich an zwei Fingern abzählen können, dass es bestimmt nicht der Weg des Herrn sei kann, in das Land der Erzfeinde Israels zu flüchten, statt in Israel weiter auf Gott zu vertrauen. Wäre er doch nur innerlich still vor Gott geworden wie früher und hätte ihn wieder um Wegweisung gefragt! Aber von Stille vor dem Herrn konnte keine Rede mehr sein. Im Gegenteil, David meinte, er müsse eilends (!) zu den Philistern fliehen. Keine Spur mehr von Stille, Fragen, Stehenbleiben vor dem Herrn und Hören auf den Herrn. Warum?
Wenn David ein blutiger Anfänger im Glauben gewesen wäre, dann hätte man vielleicht eine Erklärung für sein Verhalten. Aber gerade bei ihm, der so viel erlebt hatte, der als Jugendlicher schon so viele Erfahrungen mit Gott gemacht hatte, dass nicht einmal der Riese Goliath ihn erschrecken konnte, gerade bei ihm fällt es sehr schwer, eine Erklärung zu finden. War es denn nicht gerade dieser David gewesen, der sagte:
«Der HERR, der mich von dem Löwen und Bären errettet hat, der wird mich auch erretten von diesem Philister … David aber sprach zu dem Philister: Du kommst zu mir mit Schwert, Spieß und Sichelschwert, ich aber komme zu dir im Namen des HERRN Zebaoth, des Gottes der Schlachtreihen Israels, die du verhöhnt hast. Heute wird dich der HERR mir überantworten, dass ich dich erschlage und dir den Kopf abhaue und gebe deinen Leichnam und die Leichname des Heeres der Philister heute den Vögeln unter dem Himmel und dem Wild auf der Erde, damit alle Welt innewerde, dass Israel einen Gott hat, und damit diese ganze Gemeinde innewerde, dass der HERR nicht durch Schwert oder Spieß hilft; denn der Krieg ist des HERRN, und er wird euch in unsere Hand geben» (1.Sam. 17,37-47).
Was für eine riesige Veränderung konnte doch der Kleinglaube in David bewirken! In der folgenden Gegenüberstellung wird uns das noch deutlicher werden.


Der gläubige David
«Gepriesen sein der Herr! Tag für Tag trägt er unsere Last, Gott ist unser Heil! Gott ist für uns ein Gott der Rettung, und Gott, der Herr, hat Auswege aus dem Tod» (Ps. 68,20-21).
«Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf grünen Auen und führt mich zu frischen Wassern. Er führt mich auf rechter Straße um seines Namens willen … Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde; du hast mein Haupt mit Öl gesalbt, mein Becher fließt über. Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Haus des Herrn immerdar» (Ps. 23).
«Zu dir, o Herr, erhebe ich meine Seele; mein Gott ich vertraue auf dich … Gar keiner wird zuschanden, der auf dich harrt» (Ps. 25,1-3).
«Der Herr ist mein Licht und mein Heil, vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr ist meines Lebens Kraft. Vor wem sollte mir grauen? Wenn Übeltäter mir nahen, um mein Fleisch zu fressen, meine Widersacher und Feinde, so müssen sie straucheln und fallen. Selbst wenn ein Heer sich gegen mich lagert, so fürchtet mein Herz sich dennoch nicht. Wenn Krieg sich gegen mich erhebt, so bin ich auch dabei getrost» (Ps. 27,1-3).
«Ich will frohlocken und mich freuen an deiner Gnade. Denn du hast mein Elend angesehen, du hast auf die Nöte meiner Seele geachtet» (Ps. 31,8-9).
«Befiehl dem Herrn deinen Weg und vertraue auf ihn, so wird er es vollbringen» (Ps. 37,5).
«Herr, zeige mir deine Wege und lehre mich deine Pfade … Denn du bist der Gott meines Heils, auf dich harre ich täglich!» (Ps. 25,4-5)
«Harre auf den Herrn! Sei stark, und dein Herz fasse Mut, und harre auf den Herrn!» (Ps. 27,14)


Der kleingläubige David
«Und David dachte in seinem Herzen: Ich werde doch eines Tages durch die Hand Sauls hinweggerafft werden. Es gibt nichts Besseres für mich, als dass ich eilends in das Land der Philister entfliehe» (1.Sam. 27,1).

Diese Gegenüberstellung zeigt uns deutlich die verheerende Wirkung des Kleinglaubens für unser Glaubensleben. Wenn wir Davids Werdegang untersuchen bis hin zu der der plötzlich auftretenden Phase seines Kleinglaubens, dann werden zwei besondere Wirkungen des Kleinglaubens deutlich:

  1. Kleinglaube macht unsere Nachfolge widersprüchlich. Wir merken, wie widersprüchlich David wurde, als er anfing, kleingläubig zu werden. Kleinglaube macht uns widersprüchlich in unsrem Denken, Handeln und unserem ganzen Gottdienen. 
  2. Kleinglaube uns macht schwach und kraftlos. Wir haben an David gesehen, wie stark unser Glaubensleben durch den Einfluss des Kleinglaubens geschwächt werden kann. Kleinglaube ist eine Mischung aus Glauben und Unglauben und diese Mischung macht uns innerlich schwach und furchtsam. Kleinglaube macht unser früheres Gottvertrauen, unsere frühere Glaubensstärke zu einem Schatten seiner selbst.  


Außerdem wird uns klar, dass niemand vor dem Kleinglauben sicher ist. David, bei dem wir diesen besonderen Ermüdungsbruch in seinem Glaubensleben feststellen müssen, war ja nicht irgendwer gewesen. Von Jugend auf war sein Denken von tiefem Gottvertrauen geprägt gewesen. Wenn sogar er nicht sicher war vor der Gefahr des Kleinglaubens, warum sollten wir es sein? Darum müssen wir uns dieser Gefahr bewusst werden, wie der Herr in Markus 13,37 lehrt: «Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Wacht!»
Die Gefahr des Kleinglaubens besteht für jeden und seine Wirkung kann verheerend sein. Wir müssen begreifen, dass wir hier wachsam sein müssen.