Gott erhört Gebete

Einmal hatte ich eine Gebetserhörung, die mich an die Worte der Heiligen Schrift erinnerte: „Elia war ein Mensch gleich wie wir; und er betete ein Gebet, dass es nicht regnen sollte, und es regnete nicht auf Erden drei Jahre und sechs Monate.“ Nach langem Marsch waren wir in Massenquartieren untergebracht. Nach kurzer Rast mussten wir bei Tagesgrauen vor dem Ort eine Verteidigungsstellung einrichten. Bei strömendem Regen arbeiteten wir mehrere Stunden und wurden dann plötzlich „An die Gewehre!“ befohlen. Wir mussten auf einen bewaldeten Berg gegen den Feind marschieren und auf der Höhe zur Sicherung liegen bleiben. Endlich hörte der Regen auf und, obwohl der Boden durchnässt war, trockneten allmählich unsere Kleider von der eigenen Körperwärme. Am Abend kam der Befehl zum Rückzug. Freudig wollten wir in unser Quartier zurückkehren, doch ein anderer Feind nahte in Gestalt dunkler Gewitterwolken und dicker Regentropfen. Wie traurig waren wir, dass wir von neuem durchnässt werden sollten, bis wir das schützende Dach in stundenlangem Marsch erreichten! Ich brachte dem Herrn unsere Not dar und bat ihn inbrünstig, uns heute vor dem Regen zu schonen, damit wir nicht wieder mit nassen Kleidern in der kalten Scheune übernachten mussten. Meine Bitte ging dahin, Gott möge den Regen so lange verhindern, bis wir unser Ziel erreicht hätten. Und wunderbar, wie Gott einst das Gebet Elias erhörte, so hörte er auch mein geringes Flehen. Augenblicklich hörte der Regen auf und kein Tropfen fiel, bis wir unseren Bestimmungsort erreicht hatten. Kaum waren wir in unserer Scheune, da brach es wolkenbruchartig los, so dass der Regen an manchen Stellen durch die Dächer schlug. Wie froh waren die Kameraden! Mein Herz aber pries den lebendigen Gott, der heute und ewig derselbe ist und bleibt.

Auch in vielen anderen Lagen bewies sich Gott als mein Helfer, so dass mein Vertrauen zu ihm immer größer und unbedingter wurde. Unsägliche Strapazen gab es am Anfang des Krieges, als man noch nichts von Schützengräben und Schutzstollen wusste. Wie oft waren wir während langer Märsche schweißtriefend, müde und hungrig! Glaubte man, am Ziel angelangt zu sein, hieß es doch immer wieder: „Vorwärts!“ Wie tobten und fluchten die überanstrengten Kameraden! Manche stellten fluchend ihr Gewehr auf den Boden und weigerten sich weiterzugehen. Doch immer, wenn ich mich am Ende meiner Kraft glaubte, half Gott mir wunderbar, so dass ich trotz Blut- und Wasserblasen an meinen Füßen nie aus der Reihe treten oder zurückbleiben musste, obwohl mir die Kameraden dazu rieten. In solchen Leidenszeiten war ich in so naher Verbindung mit Gott, dass ich tatsächlich Kraft von oben empfing. Die Freudigkeit meiner Seele brach sich manchmal in dem Ausruf Bahn: „Preis den Herrn!“ Meine Kameraden spöttelten dann darüber und riefen oft in schwierigen Lagen: „Preise auch jetzt deinen Herrn, wenn du kannst!“ Aber gelobt sei Gott, ich konnte es immer, und konnte vielmehr noch meine verzagten Kameraden trösten und ermutigen und ihnen ein Vorbild in Geduld sein.

Es war am 2. September 1914. In Eilmärschen ging’s die Nacht hindurch einem bestimmten Ort zu. Gegen Morgen gab’s eine kurze Rast in einem Straßengraben, in den wir uns schweißgebadet ein wenig zur Ruhe niederlegten. Schon um 5 Uhr morgens ging es weiter zu einem fünfzehnstündigen Marsch über Berg und Tal. Mit einem Feldbecher voll Kaffee und einem Bissen Brot im Magen machten wir uns von Neuem auf, galt es doch, den Feind von hinten zu umzingeln und ihn unserem anderen Bataillon vor die Gewehre zu treiben. Wir liefen bis etwa 1 Uhr mittags, dann hieß es: „Halt!“ Da hörten wir, dass das Gefecht schon im Gange war, denn die Schüsse drangen bis zu uns herüber. Nun mussten wir schleunigst den Rückzug antreten, damit wir nicht selber in die Falle gerieten.

Nach erneuter sehr mühevoller Wanderung über etliche Bergrücken gelangten wir auf eine Lichtung, die mit Brombeeren reich bewachsen war. Die reifen Früchte mundeten prachtvoll. Wie erquickten sie die hungrigen und dürstenden Soldaten! Doch, was war das? Scharfes Schrapnellfeuer (Schrapnell – mit kleinen Kugeln gefülltes Artilleriegeschoss (Anm. d.  Red.)) setzte ein. Unsere eigene Artillerie beschoss uns, denn sie hielt uns für den Feind, weil wir – leider! – noch die blaue Uniform trugen. Wir flüchteten in aller Eile und gelangten abends in ein Dorf, wo wir uns der wohlverdienten Ruhe freuten. Schon wollten wir uns behaglich auf unserem Strohlager betten, da kam der Befehl: „Die vierte Korporalschaft auf Wache!“ Wer kann unsere Gefühle beschreiben! Todmüde und hungrig – wer kann dabei wachen? So schwer es auch mir fiel, ich stand im Vertrauen zu Gott auf und meldete mich zur Wache. Weil sich nur sehr wenige zu diesem Dienst meldeten, musste ich noch volle fünf Stunden vor dem Feind mit hungrigem Magen auf Posten ausharren. Mein Trost war nur in Gott, mit dem ich in dunkler Nacht stille Zwiegespräche hielt.

Geduldig ausharrend stand ich auf meinem Posten, bis der neue Morgen anbrach. Nun schaute ich sehnsüchtig nach Ablösung aus, denn der Körper, durch die anhaltende Anstrengung übermüdet, verlangte gebieterisch nach Ruhe. Da rückte meine Kompanie marschfertig heran und ich musste mich ihr ohne weiteres hinten anschließen. Nach etwa vierstündigem Marsch traf mich wieder der Befehl des Postenstehens. Ich merkte wohl, dass es hierbei ungerecht und beabsichtigterweise zuging, und fast wollten mich Gefühle des Zorns übermannen. Da schaute ich auf zu Gott und klammerte mich an seine Verheißung, dass er dem Müden Kraft gibt und Stärke genug dem Unvermögenden. Ein tiefer Friede erfüllte meine Seele und ohne Klage konnte ich dem Befehl Folge leisten.