Alles nichts nütze

„Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe, und ließe meinen Leib brennen, und hätte der Liebe nicht, so wäre mir’s nichts nütze“ (1.Kor. 13:3).

Eine große Opferfreudigkeit herrschte in der ersten Gemeinde. Ihre Güter und Habe verkauften sie und teilten sie aus unter allen, nachdem jedermann not war (Apg. 2:45). „Es war auch keiner unter ihnen, der Mangel hatte; denn wie viel ihrer waren, die da Äcker oder Häuser hatten, die verkauften sie und brachten das Geld des verkauften Guts und legten es zu der Apostel Füßen; und man gab einem jeglichen, was ihm not war“ (Apg. 4:34-35).

Namentlich ein Bruder, dessen Beispiel und Vorbild großen Eindruck machten, Joses aus Zypern, hatte einen Acker, den verkaufte er. Das machte einen solchen Eindruck, dass die Apostel ihm den Beinamen Barnabas, das heißt ein Sohn des Trostes, ein Sohn des Heiligen Geistes gaben. Es gehörte ein Entschluss dazu, sein ganzes Hab und Gut hinzugeben, sich freiwillig seines Eigentums zu entsagen. Was für ein Glaube gehört doch dazu! Und was für eine Liebe! Was ist denn der Beweggrund zu solchem Handeln? Nur herzliche Bruderliebe. Ja, so sollte man denken. Aber was für eine Geschichte folgt unmittelbar auf die des Joses? Die Geschichte von Ananias und Saphira. Joses hatte einen Acker, den er verkaufte. Ananias verkaufte sein Gut. Es war jedenfalls ein größerer Besitz, dem er entsagte. Was für ein Wohltäter der Gemeinde! Was für eine Bruderliebe! – Nein? Nichts von alledem. Nur trachten nach Ehre und Anerkennung! Nur kluge, kalte Berechnung.

„Wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und hätte der Liebe nicht, so wäre es mir nichts nütze“. Ach, auch solche Opferfreudigkeit, solche Freigebigkeit ist noch kein Beweis, dass es mit dem, der sie ausübt, recht steht. Die Liebe kann durch nichts ersetzt werden. Wo die Liebe fehlt, fehlt alles. Es war etwas Großes, was Ananias tat. Wer tut das noch? Wo sind heutzutage die Brüder und Schwestern, die so handeln? Die bereit sind, sich von ihrem Gut und Geld zu trennen? Wo sind sie? Ach, wenn man in Geldangelegenheiten zu manchen Gläubigen kommt, dann sind sie nicht zu willig. Wenn man einen Betrag braucht für ein Werk des Herrn, für die Mission, dann bedauern sie, dass ihr Geld gerade so fest liegt, dass sie momentan nicht darüber verfügen können. Da sieht man den Ananias und die Saphira! Da sitzen sie zusammen und beraten, ob sie es nicht auch so machen sollten wie Bruder Joses. Und sie sind einig, ja sie wollen es tun. Nicht wahr, sie sind vom Geld los? So scheint es. Aber leider sind sie nicht ganz los. Notgroschen wollen sie zurücklegen, etwas wollen sie für sich behalten. Warum denn nicht? Auch das konnten sie tun, wenn sie es nur gesagt hätten. Aber sie wollten den Ruhm haben, alles hingegeben zu haben, und da kam das Gericht.

Oh, auch die beste an und für sich schönste Handlung ist wertlos und zwecklos, wenn sie nicht aus dem Beweggrund der lauteren Liebe hervorgeht. Gibst du für die Armen? Unterstützest du das Werk des Herrn mit deinem Beitrag? Tust du es mit Liebe? Wenn du es nicht mit Liebe tust, dann behalte dein Geld. Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. Wenn du es tust, weil die Leute sonst darüber sprechen, dann bist du ein Ananias oder eine Saphira. Dann hat deine Gabe keinen Wert. Dann taugt deine Gabe nicht in den Gotteskasten. Gibst du? Liebst du? Wenn dein Geben kein Lieben ist, dann ist es dir nichts nütze. Wenn dein Geben aus Berechnung und Absicht geschieht, dann hast du selber gar keinen Segen davon. Anderen kann deine Gabe vielleicht aus der Not helfen, aber dir selber bringt sie keinen Gewinn. Sie ist dir nichts nütze! Das ist sehr ernst! Willst du dein Geben daraufhin einmal prüfen, ob dein Geben immer ein Lieben war? Hast du nicht manchmal gegeben, weil du deiner Stellung schuldig zu sein glaubtest? – Nichts nütze! Das ist dein Urteil.

Was sagt Paulus noch weiter? „... und ließe meinen Leib brennen, und hätte der Liebe nicht, so wäre mir’s nichts nütze“. Kann es ein größeres Opfer geben, als wenn einer sich selbst opfert? Wenn jemand für seine Überzeugung, für die Sache der Wahrheit in den Tod geht? Das ist doch etwas ganz anderes, als seine Güter den Armen geben! Märtyrertum, das ist doch ein Beweis, dass es mit einem recht steht. So sollte man denken. Aber Paulus macht auch hier sein Fragezeichen. Märtyrertum ohne Liebe ist dir nichts nütze. Ja, wenn auch das Märtyrertum nicht gilt, was gilt dann noch? Die Liebe, die Liebe gilt.

Wenn du liebevoll mit deiner Frau umgehst, wenn du deine Geschwister in der Gemeinschaft, wenn du auch deine Gegner und Widersacher liebst, dann tust du mehr, als wenn einer den Scheiterhaufen besteigt, der in seiner Überzeugung so fest hält, dass er darüber sterben kann. Er geht vielleicht in den Tod mit dem Bewusstsein, eine große Tat zu tun, oder mit dem Wunsch, dass die Rache des Himmels seine Richter ereilen möchte. Er stirbt als Märtyrer seiner Überzeugung, und doch ist sein Opfer unnütz. Wie traurig, wie furchtbar!

Viel schwerer als es ist, einen festen Entschluss zu fassen und als Märtyrer zu sterben, ist es im täglichen Leben zu lieben. Da kommen tausende kleine Schwierigkeiten und Verdrießlichkeiten, da kommen kleine Nadelstiche und Spitzfindigkeiten. Da immer zu lieben, das ist etwas anderes, als einmal als Märtyrer zu sterben. Willst du Opfer bringen, so bringe deinen Eigenwillen, so bringe dich selbst zum Opfer, um in den täglichen Gelegenheiten zu lieben. Da kannst du deine Willigkeit zum Märtyrertum beweisen, dass du allen Schwierigkeiten gegenüber in der Liebe bleibst. Ist dein Leben ein Liebesleben? In deinem Hause, in deinem Briefe, in deinem Verein? Was urteilt deine Frau über dich, mein Bruder? Was sagt dein Mann von dir, liebe Schwester? Liebst du? Lebst du in deinem Hause, in deiner Werkstatt, in deinem Büro, in deiner Schule als wandelnde Liebe? Du kannst geben, was du willst, – wenn du keine Liebe gibst, keine Liebe opferst, ist dir alles nichts nütze! Alles nichts nütze!