Müssen alle nicht schriftgemäße Ehen aufgelöst werden?

Bis jetzt stützten wir uns auf klare und bestimmte Gebote des Herrn und biblische Lehren, so dass wir mit Autorität sprechen konnten. Doch wenn wir danach suchen, was die Bibel darüber sagt, wenn jemand in zweiter Ehe lebt, obwohl seine erste Frau oder ihr erster Mann noch lebt, finden wir keine klaren Anweisungen, wie man dann handeln soll.

Wenn wir nicht weiter gehen wollen, als die Bibel es tut, dann kann kein Mensch mit Bestimmtheit sagen, dass alle solche sich trennen müssen oder, umgekehrt, dass alle weiter zusammenleben dürfen. Wir müssen also jeden einzelnen Fall Gott überlassen. Verborgene Angelegenheiten sind seine Sache. Und dort, wo er uns keine eindeutigen Gebote gegeben hat, muss er sich selbst das Vorrecht vorbehalten haben, jedem einzelnen durch den Geist seine Pflichten aufzuzeigen.

Das bedeutet, dass wir nicht befugt sind, jemandem zu sagen, ob er in solchem Fall so oder anders handeln soll. Menschen müssen in solchen Situationen Anweisungen unmittelbar von Gott bekommen. Wir können jedoch sicher sagen, dass niemand, der in solch einer Ehe lebt, Erlösung und Sieg behalten kann, wenn er in Zweifel und Unsicherheit über den Gottes Wille in seinem Fall ist. Umso weniger, wenn er in bewusstem Ungehorsam lebt. Das heilige Leben kann man nur dann erhalten, wenn man Gottes Willen kennt und auslebt. Und besonders in solch einem Fall wird der Satan die Seele verwunden und das Vertrauen zerstören, wenn man sich nicht im Klaren ist, ob man gegenwärtig nach dem Willen Gottes lebt.

All diejenigen, die unglücklicherweise in diese Verstrickung geraten sind, sollten ihr Herz und Gewissen vor Gott öffnen, ihren Willen unter Gottes Willen beugen und nicht aufhören zu Gott zu rufen, bis er durch seinen Geist klarmacht, was sein Wille für ihren Fall ist. Gott wird zeigen, wie zu handeln ist, denn es steht geschrieben, dass „sie werden alle von Gott gelehrt sein“ (Joh. 6,45) und vom Heiligen Geist geführt sein. Um den Willen Gottes sicher zu erkennen, muss man dem eigenen Willen völlig entsagen und alle menschlichen Überlegungen beiseite tun. Man muss bereit sein, das zu tun, was Gott am meisten verherrlichen würde und wozu das Gewissen am Tag des Gerichts am meisten zustimmen könnte.

Weil es kein bestimmtes Gebot gibt, unter solchen Umständen sich zu trennen oder zusammenzuleben, ist es offensichtlich falsch, darüber ein strenges Urteil zu fällen. Die Betroffenen müssen ihr Gewissen reinigen vor Gott; und wenn in ihrem Leben Früchte des Heiligen Geistes sichtbar sind, haben sie ein Recht auf unsere Liebe und unser Vertrauen.

Doch gibt uns Gott in seinem vollkommenen Gesetz nicht ein allgemeines Prinzip oder eine Regel für ähnliche Situationen, woraus wir seine Denkweise auf unser Thema übertragen könnten? Lasst uns schauen. Wie wir wissen, muss man bei einem unwissentlichen Verstoß gegen das Wort Gottes, nachdem man eines Besseren belehrt worden ist, die Tat wiedergutmachen, wo immer es möglich ist. Aber können Menschen eine Ehe vollständig annullieren? Können Mann und Frau das Band der natürlichen ehelichen Zuneigung, das ihre Herzen verbunden hat, einfach abstreifen? Wir denken nicht, es sei denn durch raue und ungerechte Handlungen, die ihre Liebe zerstören können. Und das würde Gott mit Sicherheit nicht erwarten. Und sollten sie in ihrer Ehe Nachwuchs bekommen haben, ist ihr Bund umso unwiderruflicher. Wir wissen, dass Gott die Sünde nur dann vergibt, wenn der Mensch aufhört, sie zu tun. Doch wir wissen auch, dass laut Gottes Wort die Sünde durch Beweggründe des Herzens und im Willen des Menschen entsteht. Deshalb ist es sehr fraglich, ob Gott einen Menschen im Ehebruch lebend ansieht, wenn er, bei lebendem ersten Ehepartner, eine zweite Ehe nach bestem Gewissen schloss, aufrichtig meinend, dass es sein gutes Recht sei. Es ist also ein Unterschied, ob man die Sünde begeht, obwohl man Gottes Wort kennt, oder ob man es unwissend und in Sünde lebend tat und nun darin lebt. Diese Unterscheidung kann man im Wort Gottes sehen, wenn man das Thema der Heirat betrachtet.

Wir haben bereits betrachtet, dass laut Gottes Wort Gläubige mit Ungläubigen nicht heiraten dürfen. Doch wenn ein Mann oder eine Frau erlöst wird und einen unerlösten Partner hat – müssen sie sich dann trennen? Nein. Sondern „wenn ein Bruder eine ungläubige Frau hat, und diese ist einverstanden, bei ihm zu wohnen, so soll er sie nicht entlassen; und eine Frau, die einen ungläubigen Mann hat, der einverstanden ist, bei ihr zu wohnen, soll ihn nicht verlassen. Denn der ungläubige Mann ist geheiligt durch die Frau, und die ungläubige Frau ist geheiligt durch den Mann; sonst wären ja eure Kinder unrein, nun aber sind sie heilig“ (1Kor 7,12-14).

Hier sehen wir deutlich, dass eine Ehe, die ein Christ nach dem Wort Gottes nicht eingehen dürfte, nicht aufgelöst werden soll, wenn der Mensch sie vor seiner Bekehrung geschlossen hat und nun darin lebt. Es ist sogar deutlich geschrieben, dass sie zusammen bleiben sollen. Und wer kann begründet sagen, dass dieses Prinzip nicht ebenfalls auf Fälle übertragbar ist, wo Menschen ebenfalls in Unwissenheit Ehen eingingen, die nicht schriftgemäß sind?

Unser guter himmlischer Vater nimmt nicht nur Rücksicht auf die Zuneigung, die Mann und Frau verbinden, und erlaubt ihnen in seiner Weisheit und Gnade unter Umständen zusammenzuleben, die er für eine Heirat eigentlich verbietet. Er nimmt auch zärtliche Rücksicht auf ihre Kinder und möchte nicht, dass sie öffentlich als ungesetzlich oder unehelich bloßgestellt werden, obwohl die Eltern in der Vergangenheit eine nicht schriftgemäße Ehe eingingen. Die Ehe besteht, sie haben Kinder solche Ehe kann nicht vollständig rückgängig gemacht werden.

Würde Gott nicht auch dieselbe zärtliche Rücksicht den unschuldigen Kindern entgegenbringen, deren Vater oder Mutter mit einen zweiten Ehepartner verheiratet ist, während der erste lebt? Da die Staatsgesetze solche Ehen legalisieren und der Protestantismus die Messlatte nicht höher setzte, herrscht eine allgemeine Unwissenheit über dieses Thema. So kommt es, dass viele Menschen ohne Bedenken einen zweiten Partner geheiratet haben, während der erste lebte. Viele sind in ihre erste Ehe leider durch jugendliche Naivität oder durch Überredung getreten und wurden bald darauf verlassen. Das Gesetz gab vor, deshalb die Ehe aufzulösen. Dann heiratete man nochmal, lebte lange und glücklich mit einem zweiten Partner zusammen und zog Kinder groß. Wird Gott nun unter allen Umständen eine Trennung verlangen und Schande auf die Kinder bringen? Nein. Das Prinzip, das wir bereits in Bezug auf eine andere Form von unbiblischen Ehen betrachtet haben, sollte unserer Meinung nach auch hier greifen. Selbstverständlich ist dies nur ein Rückschluss und keine Lehre oder Gebot für solche Fälle.

Solche Ehen werden auch an der Stelle erwähnt, wo es um die Ordination von Ältesten und Diakonen geht. Diese dürfen nämlich nicht mehr als einen lebenden Partner haben (1Tim 3,2.12; Tit 1,6). Aber nirgendwo steht, dass ihre Mitgliedschaft in der Gemeinde Gottes überhaupt nicht anerkannt werden sollte, es sei denn, sie würden ihre letzte Ehe auflösen. Wir halten also zumindest fest, dass die Schrift uns keinen festen Boden dafür gibt, all diejenigen, die in solchen Ehe leben, als Sünder und Ehebrecher anzusehen; vor allem dann nicht, wenn sie die Früchte des Heiligen Geistes in ihrem Leben hervorbringen.

Die Umstände, unter denen ein Mensch sich vom ersten Partner trennt und einen anderen heiratet, können sehr unterschiedlich sein. Den einen verließ seine Frau grundlos, ein anderer verließ seine Ehefrau aus boshaften Gründen. Einer heiratete ein zweites Mal wegen Streit in erster Ehe oder aus niederer Lust heraus, und wird von seinem Gewissen für diese Tat verdammt. Ein anderer hatte reine Motive und sah nichts Falsches darin, nochmal zu heiraten. Der gerechte Gott wird mit Sicherheit nicht in solchen Fällen das gleiche Urteil fällen.

Das Ehebund ist etwas besonders Heiliges. Derjenige, der ihn auflöst, trägt eine furchtbare Verantwortung. Es scheint also, dass Gott, der alle Herzen kennt, nur sich selbst das Recht vorbehalten hat, seinen Kindern in allen solchen zweifelhaften Fällen Anweisungen zu erteilen. Natürlich gibt es viele Scheidungen und nachfolgende Eheschließungen, die so grundlegend verkehrt sind, dass der Gerechtigkeitssinn, den Gott in alle Menschen hineingelegt hat, diese Sache einfach verurteilen muss. Es ist offensichtlich, dass der Buße über solche unheiligen Taten auch ihre Auflösung folgen muss. Es gibt jedoch auch Fälle, dass sich jemand unter solchen Umständen trennte und wieder heiratete, dass die heilige Gerechtigkeit erröten würde beim Versuch, ihn jetzt deshalb zu beunruhigen.