David und die Glaubenssprache seiner Psalmen

Wir dürfen in der Gesamtschau des Lebens Davids jedoch nicht das Tiefste und Wertvollste übersehen: Die Glaubenssprache seiner Psalmen. So bescheiden er uns auch als Mensch erschien, so tapfer er auch als Diener seines Königs war, so schwer er auch an den Konflikten mit Saul trug, so glanzvoll er auch seine königliche Mission in Israel erfüllte – am schönsten ist er uns doch in dem, was er gesungen. In seinen Psalmen spricht der Mensch in seinem Leid und Kampf, in seiner Armut und Schuld, in seinem Flehen und Warten, in seiner Freude und Anbetung. Sein Lied spricht nicht von menschlicher Größe und Kunst, sondern von jenem Gott des Heils und der Kraft, der Offenbarung und Zukunft, der in seinem verborgenen Wirken über dem menschlichen Leben steht.

In seinem Psalm verstehen auch wir David am besten. Es ist, als ob er in demselben nicht als Israelit und König, nicht als Psalmist und Prophet seiner Zeit, sondern als Beter und Sänger unsres Lebens unter uns weile und unser Weh und Ringen, unser Rufen und Hoffen mit uns teile. Es spricht etwas in seinen Psalmen, das weit über David selbst hinausweist, und einen selten tiefen Widerhall in jeder menschlichen Seele findet.

Dies Geheimnis der Psalmen löst sich nur aus dem Bekenntnis Davids: „Der Geist Jahves redete durch mich, und sein Wort ist auf meiner Zunge“ (2.Sam. 23:2). So menschlich die Zunge auch war, die da sang, – was sie sang, bleibt ewig. So stark auch das Ewige in seiner Offenbarung an das Empfangen und Erleben Davids gebunden war, es spricht auch heute zu uns als überzeitliche Botschaft von dem Gott allen Trostes und dem Vater der Barmherzigkeit, der weit größer ist als die verflossenen Jahrtausende und unser menschliches Leben. Ihm gehört das Heute nicht weniger, als das Gestern ihm gehörte und das Morgen ihm gehören wird.

Haben wir Gott in den einzelnen Lebensphasen gesehen, in den lichten und tragischen Stunden Davids, – die verborgene Werkstatt Gottes betreten wir erst in seinen Psalmen. Hier wurde zunächst von Gott gewirkt, was eines Tages als Erkenntnis und Beugung, als Vertrauen und Hingabe, als Mut und Zuversicht, als Erleuchtung und Kraft in David Tat und Leben wurde. Manches spätere Werturteil über den König Israels würde uns rätselvoll geblieben sein, wenn uns seine Psalmen nicht einen so tiefen Einblick in sein Innenleben gewähren würden. Gab es auch manches in seinem Leben, das eines Tages dem Gericht verfiel, war auch in seiner königlichen Mission unendlich viel, das sich nur als einen wertvollen Beitrag in der Geschichte seines Volkes erwies, – sein Lied und Glaubenspsalm gehören der Gottesgemeinde aller Zeiten. In denselben ist er mehr als ein gesegneter Spross Isais und als ein zeitgenössischer Sänger seines Volkes – er ist Glied der Menschheit, die ihn als Propheten hören wird, sobald sie in ihrem Suchen und Ringen Gott erlebt.